Biber, Heinrich Ignaz Franz

Serenada à 5

(mit dem Nachtwächterlied) für 2 Violinen, 2 Violen, Violone und Cembalo (Bass ad. lib.), Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Walhall, Magdedeburg 2011
erschienen in: das Orchester 01/2013 , Seite 68

Biber datiert seine Serenade auf das Jahr 1673, als er nach Studien in Troppau und als Mitglied der fürstbischöflichen Olmützer Hofkapelle seit 1670 bereits in Salzburg die Stellung des Hoforganisten bekleidete. Als Violinvirtuose wurde Biber musikgeschichtlich bedeutend aufgrund neuer Spieltechniken, besonders von Doppelgriffen und dem Skordatura-Spiel. Verbunden mit einer musikalischen Deutung der Harmonices mundi Keplers (1619), veröffentlichte Biber um 1675 seinen Zyklus der 16 Rosenkranz-Sonaten, die das Umstimmen des Instruments spektakulär in eine übergeordnete mathematische Ordnung brachten. Zwar weniger spektakulär, aber doch sehr ungewöhnlich und pittoresk erweisen sich auch Bibers violinistische Imitationen von Tierstimmen in einigen seiner Solostücke – vermutlich durch Anregung von Johann Heinrich Schmelzers Kompositionen. Die Serenade aber weist mit einer Besonderheit auf, die nicht nur ungewöhnlich, sondern nahezu einmalig für die Zeit sein dürfte.
In der Reihe „Harmonia Coelestis“ mit dem pittoresken Untertitel „auserlesene Barockmusik“, die von Markus Eberhardt herausgegeben wird, erschien Bibers Serenade als Band III neben zwei Bänden von Triosonaten Schmelzers und einer Partita für Cembalo von Poglietti. In der partitenartigen Abfolge von Serenade – als Einleitungs-Sinfonia –, Allemanda, Aria, Ciacona, Gavotte und abschließender Retirada tritt vor allem der „auserlesene“ Charakter durch das in der Ciacona eingebaute Nachtwächterlied auf (in früheren Ausgaben auch als „Nachtwächterruf“ oder „Nachtwächterbass“ bezeichnet), das gleich mehrere Besonderheiten aufzuweisen hat: Zum einen wird von einem Sänger – vermutlich war hier nicht ein geübter Sänger, sondern ein Mitglied der Hofkapelle vorgesehen – die Rolle des Nachtwächters übernommen, der mit dem Text „Lost Ihr Herrn undt last eüch sagen, der Hammer der hat neyne (bzw. zehne) geschlagen, hüets fey hüets wohl, lobet Gott den Herren undt unser liebe frau“ auftritt; zum anderen wird die gesamte Ciacona gezupft, was mit der Anweisung testudine (lautenartig) verbürgt ist. Dabei werden die Instrumente, wie aus Bibers Vorrede der Komposition hervorgeht, unter den Arm genommen. Der Lauteneffekt, „nemblich die geigen unter die ärmen“, wiederholt sich, dann im Wechsel mit dem Bogen, in der anschließenden Gavotte: „und kombt schön heraus“.
Eberhardts Ausgabe ist versehen mit einem sehr knappen, aber informativen Einleitungstext, einem kurzen kritischen Bericht, schließlich einem Faksimile des Deckblatts, das die Vorrede sowie den gesungenen Nachtwächter-Teil enthält. Die durch kompositionstechnische Zusammenhänge sinnfälligen dezenten Ergänzungen der handschriftlichen Überlieferung sind durch Klammern kenntlich gemacht. Zu den Ausführungen der Triller verweist der Herausgeber auf Leopold Mozarts spätere Violinschule.
Steffen A. Schmidt