Ries, Ferdinand
Septet & Octet
Da nun die Ries-Einspielungen bei cpo zu einer repräsentativen Sammlung und einem passablen Werkquerschnitt angewachsen sind, kann keiner mehr fragen: Ries, wer war denn das? Natürlich war der ebenfalls aus einer Bonner Musikerfamilie stammende Ferdinand Ries kein zweiter Beethoven; auch Septett und Oktett zeigen musikalisches Mittelmaß mit schönen und auch originellen Momenten gewürzt. Als Schüler von Peter von Winter in München und Beethoven in Wien arbeitete Ries nach einigen Wanderjahren als Pianist, Klavierlehrer, Komponist und Konzertorganisator.
Für ein Pariser Publikum entstand 1808 sein Septett op. 25, das in Deutschland und Frankreich recht populär wurde, in einer Besetzung mit Klavier, Klarinette, zwei Hörnern und Streichern. Es markiert den Beginn der Gattung Klavierseptett im 19. Jahrhundert. Acht Jahre später wurde das Klavieroktett op. 128 in London uraufgeführt, ebenfalls mit tiefer Bläserbesetzung Klarinette, Horn und Fagott und Streichern. In der Faktur des Werks gewinnt häufig das Konzerthafte gegenüber dem kammermusikalischen Duktus die Oberhand.
Die Interpretation von Septett und Oktett durch das Linos-Ensemble ist doppelt verdienstvoll. Auf der einen Seite wird vergessene Musik in sehr angenehmer Weise zu Gehör gebracht. Liebhabern klassischer Kammermusik wird ein neues Puzzleteilchen der Epoche in die Hand gelegt. Das Linos-Ensemble musiziert selbstvergessen schön. Konstanze Eickhorst perlt auf dem Klavier Ries virtuosen Part, als säße sie mit ihren Mitspielern bei einer Portion Sahnetorte. Die große Anstrengung, die diese Musik abfordert, ist kaum hörbar. Dieses Liebliche macht wiederum den zweiten Verdienst der wieder einmal brillant abgemischten cpo-Aufnahme (gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk) aus: Sie animiert hoffentlich Kammermusiker zu anderen Interpretationen, sodass die Werke auch auf die Konzertpodien gelangen.
Denn die Linos-Leute reizen auf dieser Aufnahme Ries Kammermusik nicht völlig aus. Man könnte sich auch eine weniger lukullische Interpretation vorstellen, die in der Impulsgebung stärker an Beethoven-Interpretationen geschult sein könnte. Der Trauermarsch im Septett könnte mehr Zerrissenheit vertragen. Im Oktett, das zugegebenermaßen als Klavier-Paradestück angelegt ist, könnten sich die Streicher und Bläser stärker emanzipieren. Als ein dritter Verdienst der Einspielung wäre uns zu wünschen, dass nun immer mehr Musiker die Komponisten zwischen Beethoven und Schumann wie Spohr, Burgmüller, Onslow oder Fesca in den Bibliotheken ausgraben und wir sie kennen lernen dürfen.
Das Linos-Ensemble musiziert seit 1978 in verschiedenen Besetzungen und hat inzwischen über 80 Werke in seinem Repertoire, das von Bach bis Stockhausen reicht. Das Ensemble besteht aus elf festen Mitgliedern, die sich für ihre Tournee- und CD-Programme sowie für ihre Auftritte auf europäischen Musikfestivals regelmäßig Gäste einladen. Namentlich in dieser Produktion seien besonders erwähnt die einheitlich und immer präzise agierenden Bläser: Rainer Müller-van Recum, mit wunderbar aufblühendem Klarinetten-Ton, die Hornisten Xiao min Han und Sebastian Jurkiewicz (als Gast) in gekoppelten Partien des Septetts als siamesische Zwillinge sowie der einfühlsame Fagottist Eberhard Marschall.
Katharina Hofmann