Rosier, Carl

Sechs Triosonaten

für 2 Altblockflöten (Violinen, Traversflöten, Oboen) & B.c. („Basone“), hg. in zwei Bänden von Anne Kräft

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Walhall, Magdeburg 2013
erschienen in: das Orchester 11/2013 , Seite 74

Der belgische Komponist Carl Rosier (1640-1725) ist vielleicht am ehesten durch seine sogenannte Kuckuckssonate bekannt geworden (letzter Satz der vierten von 14 Sonaten) – aber sonst? Immerhin war er 25 Jahre lang Domkapellmeister sowie Ratskapellmeister in Köln, schrieb etliche Chorwerke und nahm sich als komponierender Violinist der Kammermusik an, von der das meiste verschollen ist oder kaum editiert wurde.
Von daher erfreut umso mehr, dass sich die Edition Walhall entschloss, sechs Triosonaten Carl Rosiers für zwei gleiche Stimmen mit Generalbassbegleitung in einer Neufassung herauszugeben. Der vor erst 20 Jahren gegründete Magdeburger Verlag hat sich die Musik des Generalbasszeitalters zum Schwerpunkt gesetzt und ist dabei mit mancherlei Raritäten aufgefallen. Die Ausgabe der Triosonaten basiert auf Stimmheften aus dem Jahr 1691 und erscheint von der äußeren Aufmachung her tadellos: Auffallend ist ein klarer, gut lesbarer, nicht zu kleiner Druck auf gebrauchswertem Papier sowie der Verzicht der Herausgeberin auf Spielanweisungen oder sonstige Aufführungshinweise in den Stimmen. Ganz offensichtlich wollte man die Urtextausgabe mit Blick auf die Eigenverantwortlichkeit der Ausführenden weitgehend wahren. Lediglich manche Unzulänglichkeit wurde revidiert; ein entsprechender Revisionsbericht im Vorwort belegt die Details. Auch die Besetzung mit zwei Violinen, Flöten oder Oboen lässt sich problemlos realisieren, der notwendige spezifische Ambitus wird jeweils eingehalten.
Sicherlich braucht, wenn man die Musik Rosiers einzustufen versucht, die Musikgeschichte nicht neu geschrieben werden. Aber der musikalische Ausdrucksgehalt ist mehr als Durchschnitt des kompositorischen Levels um 1700. Vieles kommt heiter daher, gelegentlich klingt manche Wendung überraschend, polyfone Satzelemente lassen auf den Kirchenmusiker Rosier schließen und in der 9. Sonate findet sich gar eine durchgestaltete Passacaglia wieder. Von daher darf und sollte man den editorischen Gehalt der Neuausgabe nicht zu gering einschätzen – wenn sie nicht eine Generalbassstimme von Torsten Mann enthielte. Wahrscheinlich hat diese Aussetzung weder die Herausgeberin Anne Kräft noch irgendein Lektor wirklich gespielt, sonst wäre die unendliche Fülle an Fehlern sofort aufgefallen. Es sind aber nicht nur Ungereimtheiten und Diskrepanzen bei den Versetzungszeichen im Vergleich zu den Solostimmen, es ist vor allem die laienhafte Art der Akkordführung in der rechten Hand: Wenn allein in der dritten Sonate 15 Oktavparallelen auftreten, kann man von professioneller Edition nicht mehr sprechen. Schade!
Mein Tipp: Die Noten anschaffen und den Cembalisten bitten, den Bass frei zu spielen, denn für die schöne Musik Carl Rosiers lohnt sich das allemal.
Thomas Krämer