Kiel, Friedrich

Sechs Fugen

für zwei Violinen, Viola und Violoncello, Partitur und Stimmenset

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Dohr, Köln 2007
erschienen in: das Orchester 06/2008 , Seite 61

Fugen gehören zum Handwerkszeug eines jeden Komponisten; und es gibt wohl keinen Kompositionsschüler, der nicht als Abschlussarbeit seines Studiums eine Fuge geschrieben hätte. Für Friedrich Kiel markierten die jetzt im Verlag Dohr erstmals vorgelegten sechs Fugen für Streichquartett aus dem Jahr 1845 zwar auch das Ende seiner Studienjahre, jedoch hat sich der Komponist – anders als sehr viele seiner Kollegen – auch später in seinen Kammermusikwerken immer wieder der Fugenform erinnert.
Das halbe Dutzend Streicherfugen sieht Friedrich Kiel als einen jungen Komponisten mit sehr geschärftem Blick auf die Tradition. In der Manier von Johann Georg Albrechtsberger leitet er (bis auf eines) alle Werke mit einer Introduktion in gemessenem Tempo ein. Diese klar disponierten Einleitungen schaffen auf kleinem Raum eine recht große kontrapunktische Spannung und schärfen den Blick für die nachfolgenden, klar und übersichtlich konzipierten Fugen. Kiels transparente, wenig zu klanglichen und satztechnischen Extremen neigende Schreibweise unterstützt dabei eine im besten Sinne „akademische“, ja klassische Wirkung der Kompositionen.
Trotz aller Einheitlichkeit gibt es aber auch Kontraste in diesem kleinen kontrapunktischen Kompendium für Streichquartett. So leitet Friedrich Kiel die erste Fuge durch eine Serie von drei Variationen ein, die auf ein knapp exponiertes Thema folgen. Im kammermusikalisch eher ungewöhnlichen 4/2-Takt steht Introduktion Nr. 3 und die beiden letzten Fugen entwickeln in ihrem Verlauf gar einen dezent konzertanten Schwung.
Zum Eindruck der Transparenz und Geradlinigkeit, die die sechs Fugen Kiels hinterlassen, passen die zurückhaltende, wenngleich klar strukturierende Dynamik und die nur sehr selten zum Einsatz kommenden Spezifika der verwendeten Streichinstrumente; lediglich an ein paar wenigen Stellen erlaubt sich der Komponist einige Doppelgriffe. Spieltechnisch werden von den vier Ausführenden also viel mehr eine klare Diktion und Linienführung denn virtuose Einlagen gefordert. Dementsprechend hat der Herausgeber Wolfgang Sawodny bei seinen behutsamen Eingriffen in den originalen Notentext insbesondere darauf geachtet, ein einheitliches Bild hinsichtlich der Artikulation zu unterstützen.
Es wäre sicher interessant, nicht nur Friedrich Kiels Fugen, sondern vielleicht auch den kontrapunktischen Abschlussarbeiten so manch anderer Komponisten im Konzertalltag zu begegnen. Auch wenn nicht immer die Fugen-Größe eines Johann Sebastian Bach dahinter steht, so sind diese Werke doch im größeren Zusammenhang der Epoche und des übrigen Œuvres der Komponisten von Bedeutung. Friedrich Kiels hier vorgestellte Fugen geben in jedem Fall den Blick frei auf einen Musiker von großem Ernst und klarer Technik.
Daniel Knödler