Mozart, Wolfgang Amadeus

Sechs dreistimmige Präludien und Fugen für Streicher

KV 404 a Nr. 1-3 / Nr. 4-6, Partituren

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2005
erschienen in: das Orchester 07-08/2006 , Seite 88

Mozart und Bach – das ist ein immer wieder faszinierendes und neu gedeutetes Kapitel der Musikgeschichte. Das intensive Studium bachscher Musik bekennt der Komponist selbst im Brief an den Vater vom April 1782: „ich mach mir eben eine Collection von den Bachischen fugen, – sowohl Sebastian als Emanuel und friedemann Bach“. Dieser Sachverhalt widerlegt einerseits die Legende vom verspielten, leicht und ohne langes Überlegen komponierenden Mozart, auf der anderen Seite hat er weit reichende Auswirkungen auf sein weiteres Schaffen.
Die hier vorliegenden Präludien und Fugen sind Beleg für das fleißige Studium bachscher Kontrapunktik. Analoge Werke Mozarts sind z.B. Adagio und Fuge c-Moll für Streichorchester KV 546 oder die Violinsonate A-Dur KV 402, die aus einem Satz besteht, der genau ein Präludium mit einer Fuge darstellt. Bei der hier vorgestellten Sammlung handelt es sich offensichtlich um jene im Brief genannte „Collection“. Sie wurde erstmalig 1938 von Johann Nepomuk David in dieser Fassung zur praktischen Nutzung herausgegeben. Christian Rudolf Riedel hat diese auf den neuesten Forschungsstand gebracht und die Stücke auch für chorische Besetzung (mit Kontrabässen) empfohlen.
Mozart hat Fugen von Johann Sebastian und Friedemann Bach bearbeitet, dazu vier eigene Präludien komponiert. Er hat den Notentext der Vorlagen unverändert gelassen. Seine Quellen waren nachweislich in schlechtem Zustand, sodass Fehler in den von David benutzten Ausgaben steckten, die jener dann den bachschen Originalen gemäß korrigiert hat. Zur Urheberschaft Mozarts nur so viel: Trotz einiger Zweifel (Mozarts Manuskript ist verschollen) sind sich heute alle Forscher einig, dass Meisterschaft und Erfindungsreichtum für Mozart sprechen.
Die beiden Teile Präludium und Fuge sind jeweils eng verzahnt durch Dominantschlüsse der Präludien (quasi ein Doppelpunkt vor der nachfolgenden Fuge). Im ersten Heft sind drei eigene Präludien Mozarts mit Fugen aus dem Wohltemperierten Klavier verbunden. Die Fuge dis-Moll aus dem Wohltemperierten Klavier I ist nach d-Moll transponiert. Im Streichersatz kommen die Umkehrungen, Vergrößerungen und Engführungen des Themas hörbar zur Geltung. Dieses Stück eignet sich besonders zur Schulung des polyfonen Ensemblespiels. An zweiter Stelle steht die Fuge fis-Moll aus dem Wohltemperierten Klavier II, die durch ihre innere Dynamik und die immanente Steigerung zu den Höhepunkten bachschen Schaffens gehört. Beendet wird das Heft mit der nach F-Dur transponierten Fuge Fis-Dur aus dem Wohltemperierten Klavier II. Durch Chromatik und Modulationsreichtum schult sie vor allem das Hören harmonischer Zusammenhänge. Der Triller auf der ersten Note des Themas (Leitton!) erfordert genaue Koordination aller Spieler.
Das Präludium zur zweiten Fuge bildet ein fugiert gearbeitetes klagendes Adagio mit großen Melodiesprüngen und exquisiter Chromatik über die chromatisch absteigende Quarte, den Passus duriusculus. Zur dritten Fuge setzt Mozart ein schlichtes homofones Adagio in F-Dur.
Das zweite Heft bietet ein Adagio aus der dritten und ein Largo aus der zweiten Orgelsonate Bachs. Der Contrapunctus 8 aus der Kunst der Fuge erfordert eine gut überlegte Tempowahl, da erst später im Stück schwierige Sechzehntel-Passagen zu bewältigen sind. Die beiden abschließenden Fugen sind einfacher gestaltet. Die Nr. 5 vertritt das fugierte Allegro aus Bachs zweiter Orgelsonate, dementsprechend bietet es lange konzertante Passagen homofoner Struktur. Als letztes Stück der Sammlung wählte Mozart eine auf dem Passus duriusculus beruhende Fuge in f-Moll von Wilhelm Friedemann Bach aus. Ihr vorangesetzt hat er ein harmonisch reichhaltiges Adagio. Beide Hefte sind wertvolles Übungsmaterial und allen Spielern sehr zu empfehlen.
Otto Junker

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