Vaughan Williams, Ralph
Sea Songs/Concerto for Bass Tuba/Symphony No. 5
Ralph Vaughan Williams (1872-1958) gilt als eine Galionsfigur der britischen Musik im 20. Jahrhundert. Entsprechend gut ist sein Schaffen auf dem (englischsprachigen) Tonträgermarkt vertreten. In deutschen Konzertsälen hört man selten Werke von ihm, obwohl sein Stil durch seine Tonalitätsverbundenheit beim Publikum meist sehr gut ankommt. Angesichts harter und härtester Konkurrenz scheint es gleichwohl etwas gewagt, als deutsches Orchester ohne die langjährige und regelmäßige Aufführungspraxis dieser Musik eine CD vorzulegen, überdies mit Werken, die keineswegs als besonders rar im Katalog bezeichnet werden können.
In England wird Sea Songs (1923, Orchesterfassung 1942) ein Marsch ursprünglich für Militärkapelle gerne als Zugabe gegeben, die Verwendung hier als Opener gibt dem Stück ein Gewicht, das ihm nicht zukommen kann. Eine Qualität von Hilgers Dirigat kommt gleichwohl bestens zur Geltung: starker rhythmischer Drive, große Energie, gleichzeitig fast zu wenig Gelegenheit zum freien Atmen. Hiermit erlangt der Marsch eine fast aggressive Zielgerichtetheit, die ihm von Vaughan Williams Intentionen her eher fern liegt.
Das Tubakonzert, 1954 als letztes seiner Solokonzerte entstanden, präsentiert Hilgers als Solisten (er ist Solotubist der Wiener Philharmoniker). Sein unglaubliches Legato, sein ausgesprochen weicher Klang vermitteln das Gefühl, ein großer freundlicher Bär brumme hier sein Konzert. So phänomenal diese technische Seite ist, so fehlt es doch leider etwas an weiteren Klangfarben und damit stärkerer Spannung im Solopart Richard Nahatzki, Solist des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin in einer Einspielung aus dem Jahr 1993 (Capriccio 10522) zeigt, dass dem Werk noch mehr klangliche Valeurs abgewonnen werden können. Das Brandenburgische Staatsorchester jedenfalls schlägt sich ausgesprochen gut, etwa im Vergleich zur Royal Ballet Sinfonia in der kürzlich erschienenen Einspielung für das Label Naxos (8.557754).
Schließlich die fünfte Sinfonie (1938-43, rev. 1951) Vaughan Williams vielleicht schwierigste Sinfonie, da sie teilweise auf Material basiert, das gleichzeitig zu einer Oper verarbeitet wurde. Die große Spiritualität des Werks hat auch einigen englischen Einspielungen zu schaffen gemacht und dadurch, dass das deutsche Orchester das Werk nicht wirklich in- und auswendig kennt, bleibt die hier vorgelegte Einspielung hinter den besten englischen zurück. Dies liegt auch daran, dass die Blechbläser (insbesondere Trompeten und Hörner) gelegentlich leicht scharf, fast vulgär wirken.
Dem Kopfsatz lässt Hilgers überdies abermals nicht genug Luft zum Atmen auch hier schränkt seine starke Impulskraft die Wirkung etwas ein; wahrscheinlich wäre eine andere Sinfonie von Vaughan Williams (etwa die vierte oder sechste) seinem Interpretationsansatz entgegengekommen, obwohl er nach dem Kopfsatz zeigt, dass ihm vielleicht mit ein wenig längerem Reifen eine vollkommen überzeugende Interpretation gelungen wäre. Schade, denn der Einsatz des Labels Genuin für weniger bekannte Musik ist lobenswert und in Großbritannien ist noch genug zu entdecken.
Jürgen Schaarwächter