Weinberger, Jaromír
Schwanda, der Dudelsackpfeifer
live from the Semperoper 2012, 2 CDs
Jaromír Weinberger gehört zu jener Unzahl jüdischer Komponisten, denen die Kultur-Holzhacker der Nazifraktion, so sie ihnen nicht gar nach Leib und Leben trachten konnten, das große Vergessen zugedacht hatten, und im Fall Weinberger wäre das beinahe geglückt. Denn auf den Opernbühnen ist dieser Welterfolg des Jahres 1927 nur noch selten zu erleben. Umso erstaunlicher, dass nicht lange nach 2004 (Naxos) jetzt bei Profil/ Edition Günter Hänssler schon die zweite CD-Gesamteinspielung vorliegt.
Eine Kurzfassung dieser recht verworrenen und heute auch etwas antiquiert wirkenden Märchenhandlung (im Originaltitel vanda Dudák) könnte wie folgt lauten: Schwanda, eine Art Dorf-Orpheus, zieht mit einem zauberkräftigen Instrument aus, bekommt es erst mit einer Königin, dann mit dem Teufel zu tun und kehrt am Ende gern wieder heim zu seiner liebenden Frau Dorota. Dieser Plot obwohl ja auch Zauberflöte und Troubadour aufgeführt werden mag den Grund für die heute etwas zurückhaltendere Bühnenpräsenz abgeben, die Musik sicher nicht!
Der Komponist hat hier zwar in allen musikalischen Gewässern geangelt, derer er habhaft werden konnte: Die böhmische Volksmusik ist ebenso vertreten wie Anklänge an die Idiome seiner tschechischen Berufskollegen Smetana, Dvorák und Janácek, aber auch Weber, Berlioz, Wolf-Ferrari, Humperdinck und sogar Richard Strauss sind jeweils mit oftmals mehr als nur einem Augenzwinkern in dieser lebensprallen und herrlich fröhlichen Volksoper vertreten. Sogar einen Vorgriff auf Schostakowitsch kann man heraushören (oder ist es eher dessen Rückgriff auf Weinberger?). Dennoch ist Weinberger hier ein musikalisch ganz eigenes, originelles Werk geglückt, das seine Leuchtkraft vor allem aus den zahlreichen rein orchestralen Abschnitten und den Chören bezieht.
Die 2012 erfolgte Neuinszenierung an der Dresdner Semperoper (übrigens in tschechischer Sprache), der sich vorliegender Livemitschnitt verdankt, war ein großer Erfolg. Wenn die Staatskapelle unter Constantin Trinks hier bisweilen etwas lärmend (stets aber blitzsauber intonierend) zur Sache geht, dann ist das sicher ganz im Sinne der Partitur und der ihr innewohnenden Rustikalität!
Die Rollen sind stimmlich fast durchweg ideal besetzt, wobei sich das Wohlfühltimbre des Titelhelden (Christoph Pohl, Bariton) und die juvenile Dramatik der Dorota (Marjorie Owens, Sopran) besondere Anerkennung verdienen. Der harte, bisweilen etwas spröde Mezzosopran Tichina Vaughns ist der Rolle einer eisherzigen Königin durchaus angemessen. Ein von Christof Bauer perfekt eingestellter Sächsischer Staatsopernchor entledigt sich seiner Aufgabe mit makelloser Präzision.
Einen Sonder-Pluspunkt verdient sich das ungewöhnlich ausführliche, informative und zudem reich bebilderte Beiheft zu dieser CD.
Friedemann Kluge