Demmler, Martin
Schumanns Sinfonien
Ein musikalischer Werkführer
Die Eigenart von Robert Schumanns Sinfonik ist bis weit ins 20. Jahrhundert oftmals nicht erkannt worden. Selbst ihre Anhänger wie Gustav Mahler, aber auch Georg Szell noch in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts meinten, Schumanns angeblich ungenügende Instrumentation verbessern zu müssen.
Bei Martin Demmler, der einen schmalen Werkführer zu Schumanns Sinfonien vorgelegt hat, taucht zwar noch das Beispiel Gustav Mahler auf, von den noch weitaus später anzutreffenden Retuschen des Dirigenten Szell wird hingegen kein Wort erwähnt. Da macht sich eine fehlende Diskografie doch bemerkbar. Über diese hätte vielleicht auch die in den vergangenen zwanzig Jahren bedeutsam gewordenen Ansätze, Schumanns Sinfonien und ihre ungewohnte Instrumentation mittels der Erkenntnisse der historischen Aufführungspraxis besser zu verstehen und klanglich adäquater umzusetzen, in den Band einfließen können. Was beispielsweise Nikolaus Harnoncourt mit einem auf modernen Instrumenten spielenden Orchester und John Elliott Gardiner mit historischem Instrumentarium für das Schumann-Bild getan haben, darf nicht unterschätzt werden.
Abgesehen davon ist dieser Musikalische Werkführer durchaus informativ und ansprechend geraten. Demmler, der als Musikredakteur beim Rundfunk Berlin-Brandenburg tätig ist, erläutert zitatreich die Entstehungs- und frühe Rezeptionsgeschichte der vier Sinfonien sowie von Ouvertüre, Scherzo und Finale op. 52. Die jeweiligen Analysen der Sinfonien sind trotz ihrer Knappheit einleuchtend und verständlich geraten.
Klar erläutert wird die Bedeutung der beethovenschen Symphonik, mehr noch der von Schubert, dessen Große C-Dur-Sinfonie Schumann ja erst entdeckte, an Mendelssohn zur Erstaufführung vermittelte, um sie dann in einer seiner bedeutendsten Musikkritiken in ihrer Eigenart einem breiteren Publikum bekannt zu machen. Und zugleich bedeutete Schubert für Schumann mehr als nur einen ästhetischen Hinweis, einen eigenen sinfonischen Weg zu finden, der nicht durch den Titanen Beethoven verstellt war.
Klar und einleuchtend erläutert Demmler die Besonderheiten der schumannschen Sinfonik, ihre zumeist Struktur gebenden zyklischen Verknüpfungen. Ausnahme ist hier lediglich die Rheinische. Wünschen könnte man sich indes einen etwas tiefer gehenden Vergleich der ersten und zweiten Fassung der d-Moll Sinfonie op. 120, die offiziell als vierte gezählt wird, nach der Werkchronologie (der Erstfassung) aber die zweite ist.
Knapp, aber dennoch treffend schildert der Autor hingegen die problematische Rezeptionsgeschichte der schumannschen Sinfonien, die zumindest bei der vierten auch durch Schumanns Geisteskrankheit mitbestimmt wurde. Wie verheerend sich der Vorwurf, das Spätwerk Schumanns sei durch Krankheit gezeichnet und deshalb schwach, bis heute ausgewirkt hat, kann Demmler indes nur streifen. Dass in dieser Hinsicht nicht nur bei der Betrachtung des sinfonischen Werks noch ein beachtlicher Nachholbedarf besteht, ist zwar allgemein bekannt, hat sich in der öffentlichen Rezeption aber noch nicht entsprechend niedergeschlagen.
Walter Schneckenburger