Tadday, Ulrich (Hg.)
Schumann Handbuch
Im Vergleich zur Fülle der Publikationen, die zum Mozart-Jahr herauskamen, nehmen sich die Veröffentlichungen zu Robert Schumann, einem anderen Jubilar dieses Jahres er starb 1856 , spärlich aus. Neben der fabelhaften Materialsammlung Robert Schumann in Endenich (1854–1856), herausgegeben von Bernhard R. Appel (Mainz 2006), ist lediglich eine wirklich wichtige Publikation erschienen: das Schumann Handbuch, das fünfte seiner Art nach Bach, Schubert, Verdi und natürlich Mozart.
Nun gibt es kaum einen schöpferischen Künstler, der sein eigenes Leben so akribisch dokumentiert hat wie Robert Schumann: ne-ben umfangreichen Tagebüchern, zahlreichen Schriften und einer Vielzahl von Briefen, von denen leider einige wichtige von der Familie vernichtet wurden, andere noch unter Verschluss sind, auch exakt geführte Haushaltsbücher, die jede noch so kleine Ausgabe wie Waschfrau oder Erdbeeren für Clara mit geradezu besessener Genauigkeit auflisten, so als wollte Schumann jeden Augenblick seines Lebens fest- und damit den Lauf der Zeit aufhalten.
Seit die Aufzeichnungen seines Arztes aus der Heilanstalt Endenich über Schumanns zwei letzte Lebensjahre auftauchten, scheint die literarische Quellenlage lückenlos. Natürlich sind auch alle Kompositionen einschließlich der Fragmente bekannt und zugänglich, die 1992 begonnene Neuausgabe seiner Werke wird zudem neue Aspekte bringen. Aufgabe eines Handbuchs ist es demnach, das vorhandene Wissen zu bündeln, es in einzelne Aspekte aufzuteilen und schließlich zu interpretieren.
Diesen Anspruch nun erfüllt das neue Handbuch in reichem Maße, gestaltet von Wissenschaftlern aller Generationen. So sind der Schumannschen Ästhetik, seinem Verhältnis zur Bildenden Kunst und seinem schriftstellerischen Wirken drei hochinteressante Kapitel gewidmet, die neue Denkansätze vermitteln.
Von größter Bedeutung ist der brillant geschriebene zentrale Aufsatz von Peter Gülke, Robert Schumanns jubelnd erlittene Romantik, der vielfältige Bezüge Schumanns zur Literatur (ja, an erster Stelle!), zur Musik, zur Philosophie, zum ganzen Universum der Künste aufdeckt und erhellt und kapitelübergreifend viele Aspekte eines zerrissenen Lebens neu deutet.
Den größten Teil des Bandes nehmen naturgemäß Darstellung und Theorie der Kompositionen ein, ein reich bestelltes Feld, denn der stets an Neuem interessierte und Neues ausprobierende Schumann hat für praktisch alle Gattungen komponiert. Vor allem in seinen Klavierwerken hat er schon früh Neuland betreten und war seiner Zeit weit voraus. Ihnen und dem umfangreichen Liedschaffen sind lesenswerte Abschnitte gewidmet. Aber auch weniger wichtige Werke werden lückenlos behandelt. Wo immer man das Buch aufschlägt, findet man umfassende Auskunft über ein gesuchtes Stück.
Besonders aufschlussreich ist das Kapitel Robert Schumann in fremden Werken. Robert und Clara Schumann, Brahms sowie andere Zeitgenossen wie Liszt, Chopin oder Tschaikowsky haben sich, wie es Zeitbrauch war, gegenseitig zitiert. Erstaunlich aber, wie viele Komponisten des 20., ja sogar des 21. Jahrhunderts sich Schumannscher Themen bedienten oder sich von ihm inspirieren ließen. Hier wird vor allem Aribert Reimann mit seiner besonderen Affinität zu Schumann genannt.
Jedem Kapitel schließt sich ein Literaturverzeichnis an. Der als Quelle wichtige Briefwechsel von Clara Schumann mit ihrem Verleger Härtel, der auch Einlassungen von Robert enthält, hätte hier hineingehört. Ein Anhang schließlich bietet ein vollständiges und übersichtliches Werkverzeichnis, geordnet einmal chronologisch und anschließend nach Opuszahlen, sowie ein Namensregister. Ein unentbehrliches Buch für alle, die sich mit Schumann beschäftigen.
Ursula Klein