Krahe, Kristin R. M. / Katrin Reyersbach / Thomas Synofzik (Hg.)

Schumann Briefedition

Serie 2: Freundes- und Künstlerbriefwechsel, Band 1: Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit der Familie Mendelssohn

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Dohr, Köln 2009
erschienen in: das Orchester 12/2009 , Seite 61

Seit mehr als 80 Jahren haben Musikwelt und -forschung darauf gewartet: Nach einem Pilotprojekt, das 1997 bis 2001 in Kooperation von TU Chemnitz und Robert-Schumann-Haus Zwickau unter Leitung von Helmut Loos und Gerd Nauhaus bereits „wesentliche Beiträge zur Brieferfassung, -transkription und -kommentierung“ erbrachte, begann 2005 das Projekt einer etwa 40-bändigen Ausgabe der „auf über 20.000 Briefe zu schätzenden“ Korrespondenz Robert und Clara Schumanns, also der von ihnen geschriebenen und an sie gerichteten Schreiben. (Die Einbeziehung der Gegenbriefe zeichnet seriöse moderne Editionen aus.) Verantwortlich sind das Zwickauer Schumann-Haus mit Nauhaus’ Nachfolger Thomas Synofzik und das Musikwissenschaftliche Institut der Musikhochschule Dresden (Michael Heinemann) in Verbindung mit der Schumann-Forschungsstelle Düsseldorf.
Neben vier 2008/09 erschienenen Bänden des Verlegerbriefwechsels interessiert der erste Band der Künstlerkorrespondenz besonders: Er umfasst Robert und Clara Schumanns Briefwechsel mit Felix Mendelssohn Bartholdy, Ehefrau Cécile, Schwester Fanny sowie weiteren Mitgliedern der großen Familie. In F.G. Jansens Ausgabe der Schumann-Briefe (Leipzig 2.1904) fehlten Mendelssohns Briefe in der Regel ebenso wie in den Mendelssohn-Briefausgaben von 1863 und 1879. So ergab sich ein schiefes Bild der Kommunikationsgewichte und -intensitäten, was zu unersprießlichen, teilweise antisemitisch grundierten Mutmaßungen darüber führte, warum Schumanns menschliches und künstlerisches Interesse an Mendelssohn von diesem angeblich eher kühl erwidert worden sei.
Solches Zerrbild wird durch den vorliegenden Band nachhaltig korrigiert. Was bereits die mehr als 90-seitige Einführung über die Entwicklung des Verhältnisses der drei Künstler an vernünftig gegliederter Informationsfülle, Aspektreichtum, Kommentarintensität und Vernetzung mit den Brieftexten erbringt, zeugt von enormer Kompetenz. Die Briefe selbst zeigen, wie fruchtbar und komplex die künstlerischen Beziehungen waren: Kernpunkte der Korrespondenz sind der Austausch über neue Kompositionen, Mendelssohns dirigentisch-organisatorischer Einsatz für Schumanns Musik, der Austausch von Musikalien, Verabredungen von Konzertauftritten Clara Schumanns, aber auch Persönliches. Hilfreich ist, dass verschollene Briefe einbezogen werden, deren Existenz aus erhaltenen Brieftexten und Schumanns Briefverzeichnis zu erschließen ist. Fazit: eine editorische Großtat, auch was Textkritik und Kommentar betrifft!
Besonderes Gewicht hat daneben Clara Schumanns Briefwechsel mit Felix’ Neffen Franz Mendelssohn. Auch diese von Reyersbach und Synofzik vorgelegte Edition überzeugt, wenn auch die Kommentierung gelegentlich leicht unausgewogen wirkt: mitunter redundant (bei Personen, die in Grußformeln häufig erscheinen), vereinzelt lückenhaft (im Hinblick auf Clara Schumanns 1886 letztlich doch angetretene England-Tournee). Auch stößt man auf Lese- oder Druckfehler. Doch dies bleiben – ebenso wie die partielle alphabetische Unordnung der Literaturliste zu Krahes Edition und das Fehlen von Handschriftenproben, die bei solchen Editionen Standard sein sollten – Marginalien einer hoch erwünschten, unverzichtbaren Edition.
Michael Struck

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