sevcík, Otakar

Schule der Bogentechnik

op. 2 Heft 1: Übungen für den rechten Arm / Heft 2: Übungen für das Handgelenk I / Heft 3: Übungen für das Handgelenk II

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Prag 2014
erschienen in: das Orchester 06/2015 , Seite 74

Stellte man die Frage nach den meistgespielten Komponisten von Werken für Violine, so wäre der Name Otakar Ševcík sicher nicht darunter. Dabei dürfte so gut wie jeder Violinschüler – und übrigens auch die Nachwuchsmusiker auf den tieferen Streichinstrumenten – irgendwann einmal während seiner musikalischen Ausbildung mit den Etüden des berühmten tschechischen Violinpädagogen in Berührung gekommen sein. Neben Carl Flesch ist Otakar Ševcík ganz sicher der herausragendste Geigenlehrer der zweiten Hälfte des 19. bzw. ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und ganz bestimmt darf Ševcík für sich in Anspruch nehmen, dass nicht nur die vorliegenden ersten drei Bände der Schule der Bogentechnik op. 2, sondern alle seine Werke geradezu wissenschaftliche Qualitäten aufweisen.
Otakar Ševcík geht es in seinen Übungen für den rechten Arm um eine umfassende Ausbildung, einen Feinschliff jeglicher Bewegungsabläufe und ein zu jedem Zeitpunkt bewusstes und dadurch kontrollierbares Spiel mit dem Bogen. So einfach die ersten Etüden zunächst auch aussehen mögen, so klar ist der Autor in seiner Aussage, dass insbesondere der schon etwas fortgeschrittenere Schüler von ihrer Ausführung profitieren wird. Ševcík hat mit seinem zweiten großen pädagogischen Werk eben keine Schule zum initialen Erlernen des Violinspiels geschaffen; er sieht die Perfektionierung des Bogenstrichs im Zentrum der Bemühungen. Das bedeutet trotzdem, dass sich der Übende zunächst völlig elementaren, ja geradezu simplen Anweisungen gegenübersieht. Und wenn dann auch auf Seite 7 noch immer im Wesentlichen Viertel- und halbe Noten das Druckbild bestimmen, ahnt man, dass es dem tschechischen Geigenlehrer auf die Ausbildung einer mehr als soliden Bogenführung ankommt.
„Liest“ man in Otakar Ševcíks Schule der Bogentechnik, so fällt die enorme Bandbreite der Übungen auf, mit denen die zentralen Stricharten wie Détaché, Legato, Staccato und Spiccato trainiert und zu voller Reife gebracht werden sollen. Zahlreiche Anmerkungen im Notentext (in der vorliegenden Bärenreiter-Ausgabe in drei Sprachen: Tschechisch, Englisch, Deutsch) stellen sicher, dass stets das zu erreichende Ziel und die einzusetzenden Mittel im Fokus des Übenden bleiben. Ševcík ist dabei auch hinsichtlich des zu wählenden Tempos präzise, ja penibel.
Überblickt man die Bandbreite der 38 einzelnen Etüden, die in den ersten drei Bänden dieser Schule der Bogentechnik mit ihren ausgearbeiteten Variationen teilweise deutlich mehr als ein Dutzend Seiten einnehmen, so wird schnell klar, wie umfassend ein Geiger nach vollständigem Studium in der technischen Beherrschung seines Instruments werden kann.
Der Komponist und Lehrer Otakar Ševcík fordert bezüglich der Ausführung seines Opus 2 denn auch nichts Geringeres als den Maßstab einer Konzertdarbietung.
Daniel Knödler