Kliegel, Maria

Schott Master Class Cello

Mit Technik und Fantasie zum künstlerischen Ausdruck, mit 2 DVDs

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2006
erschienen in: das Orchester 05/2007 , Seite 75

Als Solistin, Kammermusikerin und Pädagogin genießt Maria Kliegel seit langem hohe Reputation. Ihr künstlerisches Profil weist die ehemalige Meisterschülerin von Janos Starker und Mstislav Rostropowitsch als Vertreterin jener Spezies aus, die weder durch interpretatorische Extreme noch durch Spezialisierung auf bestimmte Repertoirebereiche von sich reden macht, sondern das traditionelle Cello-Repertoire – einige Abstecher in die Neue Musik inbegriffen – in seiner ganzen Breite repräsentiert. Es sei gestattet, eine solche Grundhaltung konservativ zu nennen, und wir fügen hinzu, dass der Begriff an dieser Stelle im Sinne absoluter Respektabilität verwendet wird.
In der Schott Master Class legt Maria Kliegel ein multimediales Kompendium ihrer technischen und musikalischen Herangehensweisen vor. Buch und DVDs sind auch ohne das jeweils andere Medium verständlich, in ihren Ergänzungen aber ergeben beide zusammen ein Bild der Intention der Autorin: In Wort, Bild und Ton möchte sie Lernenden Hilfen an die Hand geben, Antworten auf Fragen wie: „Warum ist diese Stelle plötzlich schwer?“, „Was ist eigentlich eine schwere Stelle?“, „Handelt es sich dabei um subjektives Empfinden oder um klare Fakten?“
Das Buch enthält eine „Quintessenz I“ genannte, umfangreiche und mit vielen Literaturbeispielen durchsetzte Darstellung der Technik der linken Hand, DVD 1 („Quintessenz II“) widmet sich überwiegend den gängigen Stricharten und präsentiert einen detaillierten Gang durch „berühmte Stellen“ des Haydn-D-Dur-Konzerts. Zwei weitere Standardwerke des Solistenrepertoires – Tschaikowskys Rokoko-Variationen und Schumanns a-Moll-Konzert – stehen im Mittelpunkt von DVD II („Quintessenz III“). Die gesamte Master Class bietet, nach Maria Kliegels Worten, „ein kompaktes ,Wurzelwerk‘ für die Verknüpfung von Instrumentaltechnik und musikalischer Gestaltung“.
Tut sie das? Die analytischen Betrachtungen technischer Abläufe sind unanfechtbar, und über musikalischen Geschmack lässt sich eh trefflich streiten. Was an der Master Class – abgesehen vom Selbstdarstellungsdrang der Autorin, inklusive Slideshow – gelinde stört, ist die Häufung trivialer Feststellungen, sind einige altbackene Ansichten, verbunden mit einer Tendenz zur Infantilisierung des (mutmaßlichen) Lesers. Weiß ein fortgeschrittener Student einer deutschen Musikhochschule wirklich nicht, dass der Daumen der Opponens der übrigen Finger ist? Ist ihm damit gedient, Non-Vibrato-Spiel als „Geheimwaffe“ einzustufen, da doch, so Kliegel, das Vibrato „zur zweiten Natur eines Spielers“ wird? Und, last not least: Mag sich ein erwachsener, kritischer Leser ein ganzes Buch lang duzen lassen?
In der gesamten Präsentation schwingt vieles vom hergebrachten Lehrer-Schüler-Verhältnis mit – einer Konstellation, wie sie Maria Kliegel in ihrer eigenen Lehrzeit gewiss fraglos akzeptiert hat. Professionelle Musikerausbildung heute sollte indes hinausgehen über das Konzept „Mein Professor erklärt mir die Welt“.
Gerhard Anders