Reznicek, Emil Nikolaus von

Schlemihl / Raskolnikoff

Rubrik: CDs
Verlag/Label: cpo 999 795-2
erschienen in: das Orchester 07-08/2004 , Seite 79

Allenfalls mit einem einzigen Stück ist der aus Wien stammende Komponist Emil Joseph Nikolaus Freiherr von Reznicek (1860- 1945) heute noch bekannt, wobei sich inzwischen herausgestellt hat, so Eckhardt van den Hoogen in seinem launig-lesenswerten Beiheft-Text zu dieser CD, dass auf die Ouvertüre zu Donna Diana (1894) noch eine ganze Oper folgt. Es ist geradezu ein Treppenwitz der Musikgeschichte, dass ausgerechnet der Schöpfer der Titelmelodie zu der seinerzeit beliebten Fernsehsendung Erkennen Sie die Melodie? selbst ein Meister des Zitats und der Anspielung war, damals als Hörhilfe für die diesbezüglich gebildeten Zeitgenossen.
Sowohl das fast dreiviertelstündige symphonische Lebensbild Schlemihl (1911/12) als auch die immerhin fast 23-minütige Fantasie-Ouvertüre Raskolnikoff (1929) zitieren die für Reznicek wichtige „Szene am Bach“ aus Beethovens Pastorale, Wagner ist hier mit einem „Fanget-an-Motiv“ à la Meistersinger bestimmend, dort steht das Grals-Motiv aus dem Parsifal für die Thematik von Schuld und Sühne. Das Tenorsolo auf Goethe-Worte gegen Ende des Schlemihl lehnt sich recht deutlich an Liszts Faust-Symphonie an, im Raskolnikoff klingt eine Stelle klar nach Tschaikowsky. So originell wie Richard Strauss (der ihn zahlreiche seiner symphonischen Dichtungen dirigieren ließ), so abgründig wie Gustav Mahler (der die in Prag uraufgeführte Donna Diana nach Wien brachte), so ließe sich Rezniceks letztlich durchaus eigenständiger Stil beschreiben.
Dass man das virtuose, in Leipzig bei Jadassohn und Reinecke geschulte Komponistenhandwerk von Reznicek auf dieser CD bewundern und so einen plastischen Eindruck seiner Musik gewinnen kann, liegt an dem unermüdlich glasklaren und charakteristischen Spiel, das Michail Jurowski wieder einmal dem WDR Sinfonie-Orchester Köln entlockt. Er geht weniger in die Pathos-Fallen der Partituren, sondern sucht darin vielmehr das auf, was uns an diesem Komponisten heute mehr interessiert: die eigentümliche Mischung aus sanfter Ironie und greller Groteske. Einen kurzen Auftritt (mit leider nicht sehr idiomatischem Deutsch) hat der Tenor Nobuaki Yamamasu aus dem WDR Rundfunkchor Köln.
Sicherlich hörenswerte Musik, die wie so oft bei diesem Label neugierig macht auf mehr davon. Ob damit freilich schon eine Reznicek-Renaissance eingeläutet ist (bei cpo erschien bereits seine Oper Ritter Blaubart), muss vorerst dahingestellt bleiben.
Ingo Hoddick

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