Heiner Frauendorf

Saulocker

für Violoncello und Kontrabass, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Walhall
erschienen in: das Orchester 04/2018 , Seite 63

Die Duobesetzung für Violoncello und Kontrabass hat historisch gesehen nur wenige Vorläufer, gewann jedoch während der 1980er und 1990er Jahre durch die Konzerttätigkeit des Philharmonischen Duos Berlin (Jörg Baumann und Klaus Stoll) ein erhöhtes Maß an Popularität, was eine ganze Reihe zeitgenössischer Kompositionen nach sich zog. Zu den Partituren, die für die beiden Musiker entstanden, gehört auch das vorliegende Stück von Heiner Frauendorf (*1972). Dem 1999 komponierten und 2007 umgearbeiteten Duo liegt der oberpfälzer Zwiefache Saulocker zugrunde, dessen harmonische und melodische Substanz samt ihren charakteristischen metrischen Wech­seln im Verlauf von insgesamt zehn Variationen von den beiden Instrumentalisten immer anders umkreist und neu ausgehandelt wird, ohne freilich jemals ganz zu verschwinden.
Frauendorf verlangt den Musikern einiges an Können ab, geht aber kaum jemals über traditionelle Spieltechniken hinaus. Die Besonderheit seines Werks liegt weniger in der kenntnisreichen Satzweise, die auf ein optimales Klangergebnis hin angelegt ist, als in der Einlagerung komischer Elemente. Diese treten immer wieder als theatrale Aktionen zur kompositorischen Behandlung des Tanzgerüsts hinzu und tragen zur Ausprägung einer visuellen Ebene bei, die als ironischer Kommentar zum musikalischen Geschehen verstanden werden kann. Gerade dadurch wird Saulocker zu einem augenzwinkernden Zugabestück.
Beispielsweise durchbricht Frauendorf in der vierten Variation den Gestus des „gemächlich/blöde“ vorzutragenden Kontrabassparts mit einem überraschenden Wechsel von stupider Viertelbewegung zu Vierteltriolen und lässt den Cellisten diese Veränderung durch die Anweisung „hier lächeln“ quittieren.
Die fünfte Variation lockert der Komponist auf, indem er starken Bogendruck bei den harmonietragenden Noten des Kontrabasses vorschreibt, worauf im weiteren Verlauf als klangliches Gegengewicht leichtfüßige Klopfgeräusche auf dem Instrumentenkorpus folgen. In der siebten Variation wiederum lässt Frauendorf den Cellopart mit Triller und Nachschlag ins Leere eines Pausentakts laufen und ersetzt – quasi trugschlüssig – den fehlenden Abschlusston durch zwei Bartók-Pizzicati des Kontrabasses.
Und die Schlusspointe des gesamten Stücks ist dort erreicht, wo – nach dem durch hohen Bogendruck verfremdeten Vortrag des Zwiefacher-Themas durch beide Instrumente und einer nachfolgenden Temposteigerung – die Musiker zuletzt dazu aufgefordert werden, „mit dem Finger gegen den Korpus [zu] schnipsen“, was sie im Übrigen „lächelnd“ tun sollen.
Die von Karsten Lauke herausgegebene Ausgabe wartet mit zwei jeweils dreiseitigen, die Praxisanforderungen des Umblätterns beachtenden Stimmen und einer Partitur auf. Letztere ist zwar insgesamt etwas größer und für die Augen angenehmer – weil weniger eng – gesetzt, eignet sich jedoch aufgrund fehlender Blätterstellen nicht als Notentext für den Vortrag.
Stefan Drees