Händel, Georg Friedrich
Samson
Die Bibel berichtet die Geschichte des israelitischen Helden Samson, der, von seiner Geliebten Dalila verraten, seiner Haare und damit seiner Kraft beraubt und geblendet, schließlich seine Zuversicht und Stärke wiederfindet, die Säulen des heidnischen Tempels zum Einsturz bringt und sich und die feindlichen Philister unter den Trümmern begräbt. Händel komponierte sein Oratorium unmittelbar nach der Vollendung des “Messias” in den Jahren 1741/42. Für zahlreiche Wiederaufführungen nahm Händel mehrfach Änderungen vor manches wurde gekürzt, ausgetauscht und hinzugefügt. Vor allem die Rolle des Dieners Micah erhielt größeres Gewicht. So begründete der Komponist selbst eine Aufführungstradition, die eine authentische Fassung des Werks ausschließt. Das Vorwort einer Partiturausgabe von 1894 vermerkt: Eine vollständige Aufführung des Samson [
] ist überhaupt wohl nie erfolgt
, und noch heute ist eine Auswahl unvermeidlich.
Die vorliegende Neuproduktion trägt den Bedingungen einer konzertanten Aufführung Rechnung, wobei mehr Arien berücksichtigt wurden als in vergleichbaren Produktionen. Sophie Daneman übernimmt neben der Partie der Dalila auch die Rollen der Philisterin und der Israelitin, was zumindest in einem Fall durch Händels eigene Praxis belegt ist. Ihre Darstellung der verführerisch affektierten Dalila ist wunderbar lebendig, in den Nebenrollen vermag sie jedoch weniger zu überzeugen. Der Tenor Thomas Cooley verkörpert den zunächst verzweifelten, dann nach dramatischen Auseinandersetzungen seine Kraft wiederfindenden Titelhelden angemessen. Herausragend ist Franziska Gottwald als Micah. Ihre Rolle verlangt eine erhebliche Bandbreite unterschiedlicher Affekte, die sie in idealer Weise zum Leben erweckt. William Berger wirkt in der Rolle des Manoah, des alten Vaters Samsons, eine Spur zu jugendlich.Wolf Matthias Friedrich gibt dem Philister Harapha die polternde Einfalt, die er braucht. Michael Slatterly hat die weniger dankbaren Rollen eines Philisters und eines Israeliten übernommen. Die für einen Tenor tiefe Lage lässt ihn zwangsläufig im Schatten des Titelhelden agieren.
Das Orchester erweist sich als homogener Klangkörper, der auch unter Konzertbedingungen mit historischen Instrumenten hohe Perfektion erreicht. Der NDR Chor stellt seine stilistische Kompetenz unter Beweis. Die Charaktere der Personen und Gruppen besitzen suggestive Deutlichkeit. Verzierungen, Kadenzen und Vorhalte werden durchweg mit großer Sorgfalt und Natürlichkeit geformt. Die Studioproduktionen von Karl Richter und Raymond Leppard bieten mehr aus dem Fundus der überlieferten Arien. Unter der Leitung von Nicholas McGegan wird das Werk zu einem Drama von großer Eindringlichkeit.
Jürgen Hinz