Salonhorn
Werke von Leone Sinigaglia, Ignaz Moscheles, Franz Joseph Strauss, Camille Saint-Saens u. a.
Wie sich die soziokulturellen Rahmenbedingungen für Musik vom 18. zum 19. Jahrhundert veränderten, das wird auch an der Gebrauchsliteratur für Waldhorn ersichtlich: In früherer Zeit entstanden in erster Linie Hornkonzerte, die von den Orchestern der zahllosen mitteleuropäischen Fürstenhöfe und ihren Hornisten (damals waren sie natürlich nur mit Naturhörnern ausgestattet) aufgeführt wurden. Im 19. Jahrhundert dann, als mit den Adelshöfen auch die Hofkapellen verschwanden, verlangte das gebildete Bürgertum nach Musik, die auch im heimischen Salon aufgeführt werden konnte: Werke für Horn und Klavier, nun oft mit dem Ventilhorn zu spielen.
Solche Werke haben Zbigniew Zuk, Solohornist beim Städtischen Orchester in Bremerhaven, und sein Sohn, der Pianist Piotr Zuk, auf einer CD vorgelegt, die bezeichnenderweise den Titel Salonhorn trägt. Schade, dass nicht einmal die ganz fundamentalen Hintergründe dazu im Programmheft nachzulesen sind ebenso wenig wie Angaben zu den Kompositionen. Lediglich Biografien der Komponisten enthält das Booklet Komponisten, die keineswegs durchgehend und schon gar nicht als Verfasser von Hornliteratur bekannt sind: Wer kennt schon das Andante e Polacca op. posth. des Klaviervirtuosen Carl Czerny oder das Feuillet dAlbum de Rossini op. 138 seines Zeitgenossen Ignaz Moscheles?
Wer kennt die herrliche (zweite) Klavierromanze op. 67 von Camille Saint-Saëns, wer den italienischen Komponisten Leone Sinigaglia (1868-1944), wer den in Belzig bei Wittenberg geborenen Carl Gottlieb Reißiger (1789-1859)? Vertreten sind auch der in Riga wirkende Nicolai von Wilm (1834-1911) und schließlich zwei Mal Franz Strauss (1822-1905), der verehrte Vater von Richard Strauss und Solohornist der Münchner Hofkapelle.
Die Aufnahme von Vater und Sohn Zuk hat also einigen Repertoirewert, vor allem jedoch für Hörer, denen Hornmusik aus dem 19. Jahrhundert weniger vertraut ist. Denn mit Aufnahmen von Hornlegenden wie Peter Damm oder Hermann Baumann zu konkurrieren, das ist Zbigniew ?Zuk nun doch nicht gegeben. Dabei ist der gebürtige Pole zweifellos ein guter Hornist: Sein Ton ist in der oberen und unteren Mittellage samtweich, er hat einen ordentlichen Tonumfang (was man nicht von allen Solohornisten behaupten kann), eine saubere Fingertechnik. Er spielt empfindsam und phrasiert klug, etwa in Strauss Thema & Variationen, die eigentlich für Horn und Orchester komponiert wurden.
Störend sind dagegen fortwährende Intonationsschwankungen (Töne werden immer wieder nachgedrückt) und ein in der Höhe oft enger Klang. Die Ausgewogenheit also fehlt dieser zweifellos interessanten Aufnahme, deren Booklet zwar optisch schön aufgemacht, aber wenig informativ ist.
Johannes Killyen