Vasks, Peteris
Sala / Musica Appassionata / Credo
Anhaltische Philharmonie Dessau, Ltg. Antony Hermus
Das Symphonieorchester der lettischen Hafenstadt Liepaja, an der Westküste Kurlands auf schmaler Nehrung zwischen Ostsee und Libau-See gelegen, ist das einzige außerhalb der Hauptstadt Riga existierende Berufsorchester Lettlands. Von dem Dirigenten Imants Resnis in den Jahren 1992 bis 2009 zum Botschafter neuer lettischer Musik entwickelt, erfreut es sich mittlerweile staatlicher Unterstützung. 2010 trat Atvars Lakstigala, der unter anderem in Berlin Horn und Dirigieren studierte, die künstlerische Nachfolge an. Wie die Aufnahme der drei Orchesterwerke des Letten Peteris Vasks bezeugt, darf sich das Orchester zu den tonangebenden Klangkörpern des Ostseeraums zählen.
1946 in Kurland geboren, bekennt sich Vasks ausdrücklich als lettischer Komponist. Als Beweggrund seines Schaffens nennt er den Leidensweg seines Volkes durch Jahrhunderte der Fremdherrschaft. Darüber hinaus bedrücken ihn Gewalt und menschliches Leid in aller Welt. Ästhetische Planspiele sind darum seine Sache nicht. Musik ist ihm Sprache der Seele. Vasks ist ein Prediger in Tönen. Er ruft die dunklen, zerstörerischen Kräfte auf, um sie zu bannen und tröstende Himmelszeichen zu setzen.
Immer wieder kommen seine Stücke aus der Stille, um nach zwischenzeitlichen Turbulenzen in die sanften Sphären des Anfangs heimzukehren. So auch in der sinfonischen Elegie Sala (Insel), 2006 im Auftrag des Magnum Opus Project dreier kalifornischer Orchester entstanden. Vor dem Hintergrund leise flirrender Violinen-Tremoli stimmt das Englischhorn eine lang gezogene, bukolische Weise an. Klarinette, Flöte und Horn antworten ihr nacheinander, bevor sich einzelne Melodiezeilen in durchbrochenem Satz ablösen und einander überlagern. Später setzt sich bei fortwährenden Temposchwankungen Chromatik durch, die sich in mehreren Steigerungswellen zu einer dramatischen Peripetie aufwölbt und jählings abbricht. Nach einer Generalpause kehrt die Musik des Anfangs leicht gewandelt wieder.
Musica appassionata für Streichorchester beginnt ungewöhnlich laut und entschieden, als wollte Vasks sagen: Bühne frei für meine Passion! Nach der aufgewühlten Eingangsszene breitet sich eine Ruhezone aus, bevor die Musik einen bedrohlichen Charakter annimmt. Wie nach einer mühsamen Bergbesteigung öffnet sich nach einer Generalpause eine begeisternde Landschaft. Der Rest ist Einkehr, stilles Gebet.
Credo (2009) war ein Auftrag des Philharmonischen Orchesters Bremen. Das innere Programm des mehrteiligen Stücks in einem Satz und die ihm entspringende Verlaufsform ähneln vielen seiner Werke. Die zentrale Episode teilt sich in zwei Abschnitte: ein inniges Gebet und eine Steigerungswelle, die in einen hymnischen Lobgesang mündet, bevor die Tongestalten des Anfangs rückläufig wiederkehren. Mit einem lichtvollen Gesang klingt das Glaubensbekenntnis aus.
Zu den 2014 im Haus der Lettischen Gesellschaft in Liepaja entstandenen Aufnahmen kann man Vasks nur gratulieren. Es scheint, als habe der Genius Loci dabei mitgewirkt. Wer Kurland kennt, glaubt den Geist der historischen Landschaft aus seiner Musik herauszuhören.
Lutz Lesle