Werke von Michael Glinka, Dmitri Schostakowitsch, Peter Iljitsch Tschaikowsky und anderen

Russian Classics

Sächsische Bläserphilharmonie, Ltg. Thomas Clamor

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin
erschienen in: das Orchester 03/2018 , Seite 68

Die großen Komponisten wie Bach, Mozart, Tschaikowsky etc. haben alle einen entscheidenden Nachteil: Sie schreiben nichts Neues mehr. Also glauben nachfolgende Musikergenerationen, deren Werke bearbeiten, also: verändern zu müssen. Was bisweilen bis zur Unkenntlichkeit geschieht.
Von diesem Vorwurf, das vorweg, sei die Sächsische Bläserphilharmonie glanzvoll freigesprochen! Dieses Ensemble, ursprünglich Erbe des auf Unterhaltungsmusik spezialisierten Rundfunk-Blasorchesters Leipzig, hat sich längst auch international einen Namen auf dem Gebiet der sogenannten klassischen Musik erworben.
Die auf der vorliegenden CD getroffene Auswahl aus Werken russischer Komponisten ist geradezu genial: All die hier vereinigten Stücke passen so gut zusammen, sind so gleichwertig und folgerichtig, als entstammten sie einer Suite. Tatsächlich entnehmen wir dann auch dem Beiheft, dass es so etwas wie eine inhaltliche Klammer zwischen den Werken gibt, die alle mit dem für Russlands Geschichte typischen „Aneignen und der Abgrenzung von fremder Kultur“ zu tun haben. Die hier speziell für Bläser vorgenommene Instrumentierung lässt verblüffenderweise die allfälligen Streicher kaum vermissen, was bei den dargebotenen Märschen nicht weiter erstaunt, bei Werken wie Tschaikowskys Capriccio italien oder Glinkas Ouvertüre zu Ruslan und Ludmilla aber durchaus Erwähnung verdient. Glinkas temperamentvolle Ouvertüre lässt in dieser Einspielung nichts von ihrem Glanz vermissen. Apropos Märsche: Schostakowitschs Marsch oder der ebenfalls teilweise im Marschrhythmus gehaltene Tanz aus seiner Suite für Varieté-Orchester kommen hier so schneidig herüber, dass Preußens Gloria dagegen als ärmliches langsames Schieberchen zu verblassen droht! Auch die Bläserbearbeitung von Prokofjews Suite zu Romeo und Julia ist recht gut gelungen, und lediglich die Introduktion (im Original: „Montagues und Capulets“) kommt etwas dünn herüber.
Sämtliche Einspielungen auf dieser CD zeugen jedenfalls von einer stupenden Musikalität der sächsischen Bläser, und man möchte geradezu dem Himmel dafür danken, dass dieses Ensemble nicht, wie ursprünglich geplant, nach dem Beitritt der DDR an die Bundesrepublik dem Erdboden gleichgemacht wurde, sondern endlich mit staatlicher finanzieller Unterstützung fortgeführt werden konnte. In dieser Qualität hat die Sächsische Bläserphilharmonie vermutlich noch eine große und reiche Zukunft vor sich.
Und: Die hier zusammengestell­ten Bearbeitungen russischer Komponisten zählen nicht zu den oben gebrandmarkten, bis zur Unkenntlichkeit veränderten Versionen, sondern sind Preziosen sui generis! Auch das Beiheft ist vorbildlich, insofern es hinreichende Informationen zu den Werken wie auch zu den Musikern bietet. Eine in jeder Hinsicht gelungene Produktion!
Friedemann Kluge