Hans Sommer

Rübezahl und der Sackpfeifer von Neiße

Philharmonisches Orchester Altenburg-Gera, Ltg. Laurent Wagner

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Pan PC 10367
erschienen in: das Orchester 05/2017 , Seite 67

Die Begleitumstände waren ideal zwei Wochen nach der Premiere für diese Aufnahme mit einem bestens freigespielten Philharmonischen Orchester Altenburg-Gera. Der Konzertsaal im Theater Gera – dort wurde produziert – hat sogar die klarere, weniger dichte Akustik. Und doch kommt dieses Werk (überinstrumentiert nach Meinung des damaligen Intendanten am Uraufführungsort Weimar) im Klang dort noch üppiger und kontrastreicher herüber als im Theater.
Nach einer Ausstellung und nach der Aufführung seiner Klavier- und Orchesterlieder wurde hier die erste große Lanze für den Mathematiker und Komponisten Hans Sommer (1837-1922) gebrochen, der neben seinen Vorstößen zur Konversationsoper gerne in den Sphären von Elementargeistern wandelte: Rübezahl und der Sackpfeifer von Neiße – uraufgeführt 1905 unter dem Dirigat von Richard Strauss – folgte auf eine Lorelei und Der Meermann. In Eberhard Königs Textbuch verhelfen Rübezahl in Verwandlung als Stadtpfeifer und ein entfesselter Totenreigen dem Maler Wido zur Vereinigung mit Gertrud, der Ziehtochter des Tyrannen Buko. Das Klanggepräge bewegt sich zwischen Genreszenen à la „Bärenhäuter“ bis hin zu vielen kraftfordernden Vokalattacken.
Das Philharmonische Orchester Altenburg-Gera flutet dazu massiv, fällt hinein in betörend ausmusizierte Soli und Valeurs. GMD Laurent Wagner hat den idealen Zugriff für diesen deutschen Kraft-Belcanto à la Humperdinck und Siegfried Wagner. Er lässt es allerorten blühen, ohne dass es zu üppig wird, und beherrscht wie seine Musiker die hier ganz feine Kunst, Sänger nicht zu übertönen, und dies ohne Mischpult-Manipulation! Holger Krause und der Opernchor nutzen alle Angebote des Komponisten, um in einer der ganz wenigen neuromantischen Opern mit großem Chorpart zu glänzen.
Noch mehr Achtung fordert das Ensemble Altenburg-Gera: Es ist ein Leistungsprädikat erster Güte, diese Oper ohne Gäste, nur aus den eigenen Reihen zu besetzen. Allen voran der strahlende Tenor Hans-Georg Priese, der mit viel Energie und charakterisierender Sensibilität Wido zum Zwillingsbruder Vollmers aus den monströsen Gurreliedern macht. Viel zu früh entschwindet der ihm fast ebenbürtige Jueun Jeon – auch er Tenor – aus dem Vokalgeschehen. Mit hochrangiger Klasse wartet die junge Anne Preuß auf als Gertrud, die vor keiner Brünhild-Parallele zagt und bis in ihre leisesten Piani beneidenswert volle Töne setzt. Ein feiner Coup ist die Besetzung des Berggeists Rübezahl mit dem Bass Magnus Piontek und haarscharf die richtige Entscheidung gegen vermeintliches Wagner-Reckentum, zu dem Tristan- und Walküre-Momente im Orchester hätten verführen können. Der glanzvolle Gesamteindruck, zu dem alle Solisten beitragen, legt volle Ehre ein für das „Märchenland Thüringen“, und dazu macht der fachliche Gehalt des Booklets Neugier auf weitere „Sommer-Opern“.
Roland H. Dippel