Hefti, David Philip

ROTAS/Wunderhorn-Musik

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Neos 11016
erschienen in: das Orchester 01/2011 , Seite 75

Das SATOR-Palindrom, dem in der Spätantike und im Mittelalter eine große mystische bzw. magische Bedeutung zugemessen wurde, das heute hingegen allenfalls noch in esoterischen Zirkeln vor sich hin dümpelt, ist bisher erst ein Mal nennenswert in den kompositorischen Fokus gerückt: Anton Webern erwies ihm mit seinem Konzert op. 45 aus dem Jahr 1934 seine Reverenz.
Heftis ROTAS bildet den Abschluss seines fünfteiligen SATOR-Zyklus, und um diese Finalkomposition angemessen würdigen zu können, müsste das Augen- bzw. Ohrenmerk eigentlich auch auf die vier vorhergehenden Bestandteile dieses Zyklus gerichtet werden. Von SATOR (einem Klarinettenkonzert) bis ROTAS, so der Komponist, spannt sich ein Bogen über den ganzen Zyklus.
ROTAS ist ein dreisätziges Oboenkonzert, das vor technischen Schwierigkeiten, wie sie sich vor allem aus der „uneigentlichen“ Verwendung des Soloinstruments ergeben, nur so funkelt: Das Spiel auf der ganzen Oboe wechselt sich ab mit dem Spiel nur auf dem Korpus bzw. nur auf dem Rohr allein. Auch erfordert die Komposition besondere Atemtechniken, wie sie dem klassischen Oboenspiel durchaus fremd sind. Thomas Indermühle, dem die Komposition u.a. gewidmet ist, zeigt sich dieser Hammer­partitur sowohl auf der Oboe als auch auf der Oboe d’amore mehr als gewachsen und dürfte den Komponisten mit seiner Virtuosität in Begeisterungsausbrüche versetzt haben.
Die zweite Komposition vorliegender CD ist die 2008 entstandene Wunderhorn-Musik für Solovioline und Ensemble, für die Hefti gleichsam als Warnung mit auf den Weg gibt, dass der Textvorlage „weder bildhaft noch lautmalerisch gefolgt wurde“. Der Komponist versteht die „7 Klangbilder“ vielmehr als eine „Vertonung von Impressionen“ – was nun seinerseits nicht zu dem Missverständnis führen sollte, es hier im engeren Sinn mit einer impressionistischen Komposition zu tun zu haben!
Als Solistin sorgt Rahel Cunz auf höchstem Niveau für einen packenden Höreindruck in einer technisch höchst anspruchsvollen Komposition: Einerseits weiß sie in diesem Wechselspiel zwischen Violine und Ensemble solistisch zu brillieren, vermag sich andererseits zum Nutzen des Ganzen aber auch bruchlos einzufügen. Nun gab es ja schon einmal eine wahrlich nicht unbedeutende Wunderhorn-Musik, von keinem Geringeren als dem dies- und nächstjährigen Jubilar Gustav Mahler. Und, siehe da, bei aller Verneinung direkter Bezüge zur Dichtung – den Mahler lässt Hefti (in
Nr. 4: „Abendstern“) dann doch schon mal aus den Noten herausblinzeln. Und, wie wir nach der Rezeption dieser CD annehmen dürfen, tut dieser es mit Wohlwollen.
Friedemann Kluge