Rossini, Gioacchino

Rossini Overtures

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Arthaus 100 721
erschienen in: das Orchester 05/2005 , Seite 90

Das Göttliche („divino“) und das Verführerische („seducente“) in der italienischen Musik sind – so Rossini in seinen Briefen – „melodia semplice e varietà nel ritmo“, und genau die einfache Melodie in Form einer herausragenden Sanglichkeit und die rhythmische Vielfalt durch deutliche Tempowechsel sind auf dieser DVD in bester Klangqualität zu genießen. Das Auge erfreut sich an der ansprechenden Aufmachung, mit den Bildern der (diebischen) Elster und des von einem Pfeil durchbohrten Apfels. Zu hören sind Rossinis Ouvertüren, zu sehen das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart unter der Leitung von Alberto Zedda, Uri Segal und Wolf-Dieter Hauschild.
Die drei unterschiedlichen Persönlichkeiten der Dirigenten sind von besonderem Interesse. Wolf-Dieter Hauschild zeichnet sich durch seine präzise, straffe Leitung aus. Alberto Zedda bevorzugt schnelle Tempi in bester Karajan-Tradition, dirigiert mit viel Gefühl und ganzem Körpereinsatz, wie ein Dompteur, der das Orchester zähmt. Das Publikum spürt genau, wie der leidenschaftliche Rossini-Kenner seine ganzen Emotionen in den Taktstock hineinfließen lässt. Uri Segal glänzt in der Leitung der Ouvertüre zu Tancredi, jene Opera Seria, die seinerzeit das Publikum so begeisterte, dass viele – unter anderem auch Stendhal – sagten, ein neuer Cimarosa weile unter den Lebenden. Segal arbeitet die verschiedenen Instrumentierungen deutlich heraus und lässt die melodischen Linien sich voneinander abheben, sodass das Ganze Transparenz gewinnt. Sein Dirigat ist sanft, das Orchester reagiert auf die kleinste Bewegung, was die Kameraführung deutlich hervorhebt – Grund genug, um nicht von dem zuweilen etwas monotonen Orchesterbild wegzuschauen. Segal spielt das Orchester wie ein Instrument, durch seine Leitung kommt auch der tragisch-lyrische Rossini in Guglielmo Tell zu Gehör.
Die DVD ist ein Geschenk für Rossini-Liebhaber; sie erlaubt einen Konzertbesuch im eigenen Wohnzimmer und bietet zugleich eine interessante Anschauung für Musiker und Musikwissenschaftler. Schade, dass die DVD in Hinblick auf Benutzerfreundlichkeit durch das Fehlen der Entstehungszeiten der Aufnahmen, die unpräzise und uneinheitliche Titelei und die einfallslose Grafik einiges zu wünschen übrig lässt. Nichtsdestotrotz: Von La scala di seta bis Guglielmo Tell hört man hier italienische Musik in reinster Tradition, jene, die Heinrich Heine ausrufen ließ: „Divino Maestro, verzeih meinen armen Landsleuten, die deine Tiefe nicht sehen, weil du sie mit Rosen bedeckst, und denen du nicht gedankenschwer und gründlich genug bist, weil du so leicht flatterst, so gottbeflügelt!“
Cristina Ricca