Romantische Verwandlungen
Werke von Klughardt, Nielsen, von Herzogenberg und Reinecke
Fernab der musikalischen Hauptschlagader fast alltäglicher Komponisten mit ihren bekannten und berühmten Werken legte nun das deutsche Label mit dem sonnendurchfluteten Namen Campanella Musica eine CD auf, in der unter dem Titel Romantische Verwandlungen Musik selten gehörter und wenig interpretierter Tonkünstler vorwiegend aus dem 19. Jahrhundert erklingt. Schwärmend sich in gemeinsame Schwingungen versetzen zu lassen: das ist das Wesen der romantischen Verwandlungen, immer zugleich schwingend, einmal nur Klang, dann konkretes Wort, um schließlich die erfüllte Emotion von beidem zugleich zu sein. Worte, mit denen Meisteroboist Hansjörg Schellenberger den Inhalt vorliegender CD mit lyrischen und emphatischen Worte erläutert und ihr einschmeichelnd Sinn gibt.
Und wirklich klingt diese relativ stressfreie CD wie von einem anderen Planeten: atmosphärisch, beruhigend und auch entspannend, jedoch keineswegs langweilig oder langatmig. Dafür sorgt die abwechslungsreiche wie gleichwertige Auswahl der Komponisten. Bereits die teilweise poetischen Titel versprechen Abkühlung vom hektischen Alltag, wenn von Schilflieder von August Klughardt die Rede ist, die das gleichnamige, fünfstrophige Gedicht von Nikolaus Lenau musikalisch und ästhetisch nachempfinden, worin, so Schellenberger weiter, sich in reinster Form das Ideal deutscher romantischer Tondichtung ausdrücke. Auch an Robert Schumann erinnernde Satzbezeichnungen dieser Lieder ohne Worte laden zum Träumen ein: Langsam träumerisch oder Zart, in ruhiger Bewegung kann somit auch wie ein Beipackzettel mit Hinweisen ohne schädliche Nebenwirkungen gelesen werden.
Ruhe strahlt ebenso Canto serioso für Horn und Klavier von Carl Nielsen aus und freundlich kündigt sich nachfolgend dessen Romanze und Humoreske für Oboe und Horn an. Nach den harmlos plätschernden Drei Legenden für Viola und Klavier op. 62 von Heinrich von Herzogenberg ist der angetane Hörer fast bettfein für Carl Reineckes Notturno für Horn und Klavier op. 112 und als Betthupferl strömt zum Schluss dessen heiteres und positiv gestimmtes Trio für Oboe, Horn und Klavier op. 168 aus dem Lautsprecher, das den Genießer freudig für den seligen Schlummer vorbereitet.
Auch die Auswahl erwähnter Instrumente tut ihr Übriges als süßer Baldrian-Ersatzstoff: Der warme Ton der Viola von Gerard Caussé und Radovan Vladkovics sahniger Hornschmelz, ferner der sehnsüchtige Klang der Oboe von Hansjörg Schellenberger und Vadim Gladkovs vollmundige, unaufgeregte Töne und dessen leises Rieseln und Perlen am Klavier ergeben ein klangliches und stimmungsvolles Gesamtkunstwerk entkrampfender Versenkung mit Yogi-Tee-Geschmack auf der Zunge. Eine CD mit vielleicht nachhaltigen Wirkungen für die Psyche des Hörers hin zum Besonnenen.
Werner Bodendorff