Roesel, Rudolph Arthur

Romantische Symphonie

für Soloklarinette und großes Orchester op. 56, Ausgabe für Klarinette und Klavier, mit CD

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Stephan Korody-Kreutzer Clarinet Editions, Rosenheim 2007
erschienen in: das Orchester 03/2010 , Seite 65

Mit der Entdeckung des Klarinettenkonzerts von Rudolph Arthur Roesel tritt ein bisher kaum zur Kenntnis genommener spätromantischer Komponist in die Geschichte des Klarinettenkonzerts ein, zumal es sich um ein sehr gehaltvolles Konzert handelt, das sich zwar der Virtuosität bedient, sich darin aber keinesfalls erschöpft. Durch glückliche Umstände gelangte das Manuskript der Partitur aus dem Jahr 1906 in die Hände des ehemaligen Soloklarinettisten der Bayerischen Staatsoper, Iván Mähr, der das dreisätzige Werk 2005 zur (mutmaßlichen) Uraufführung brachte.
Der Komponist Rudolph Arthur Roesel (auch Rösel geschrieben) wurde 1859 geboren, verbrachte seine Jugend in Weimar, wohin er – inzwischen ein angesehener Geiger – nach einigen anderen Stationen 1887 als Hofkonzertmeister zurückkehrte. Er schrieb eine Reihe von kleineren Bühnenwerken, eine Oper und Operette, zwei Violinkonzerte, ein Bratschenkonzert, das ebenfalls wiederentdeckt wurde, und diverse Kammermusiken, darunter ein Notturno, das zu seinen Lebzeiten im Druck erschien. Er verstarb 1934.
Das Konzert, im ungewöhnlichen es-Moll stehend, zeigt einen sehr eigenständigen Komponisten, der sein Handwerk ausgezeichnet versteht und dessen Musik sich nicht, wie es um die Jahrhundertwende denkbar wäre, einer äußerlichen klanglichen Opulenz verschrieben hat. Seine Stärken liegen in den lyrischen Partien. Formal ist Roesel um Klarheit und Zusammenhalt bemüht. Im ersten Satz stellt er in einer groß angelegten Introduktion das motivische Material vor, auf dem das erste Thema basiert. Der Schlusssatz nimmt dann wieder Bezug auf den Kopfsatz, dadurch geht aber das Bestreben um musikalischen Zusammenhang etwas auf Kosten des Abwechslungsreichtums: Das erste Thema wird von den tiefen Streichern in g-Moll rekapituliert, beim zweiten Thema findet eine Wendung nach Es-Dur statt. Das Themenmaterial des Kopfsatzes wird etwas variiert und die Virtuosität des Klarinettenparts in den Zwischenpartien gesteigert, neue musikalische Ideen sind aber kaum erkennbar. Dem Orchester weist Roesel durch eigene Motivik und motivisch-thematische Arbeit eine gebührende Rolle am musikalischen Geschehen zu, insofern wird die irreführende Benennung des Konzerts durch die Herausgeber als Romantische Symphonie etwas verständlicher.
Der Klarinettenpart steht in den spieltechnischen Anforderungen etwa auf der Stufe der Spohr-Konzerte, verlangt aber des Öfteren einen sehr langen Atem. Da hat der Geige spielende Komponist Roesel mehr an seinen Bogen als an die physischen Grenzen eines Bläsers gedacht; es sei denn, man verfügt über die Kapazitäten des Klarinettisten Iván Mähr, der auf der beiliegenden CD in einer Live-Aufnahme eine äußerst gelungene Interpretation – mit langem Atem – vorlegt.
Roesels Romantische Symphonie ist nicht nur ein lohnendes Studienobjekt, sondern eine das Konzert-Repertoire bereichernde Komposition aus einer Zeit, in der das Solokonzert für Klarinette nicht in der Blüte stand. Das Aufführungsmaterial ist leihweise bei Iván Mähr erhältlich (Malerwinkel 3, 81479 München, Tel. 0 89/792668).
Heribert Haase