Romantik pur

Friedebald Graefe: Konzert in B-Dur / Ernst Sachse: Konzert in B-Dur / Eugen Reiche: Konzert Nr. 2 in A-Dur / Josef Serafin Alschausky: Walzer-Arie Nr. 6 / Jan Koetsier: Konzert für Trompete, Posaune und Orchester

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Colosseum 9034.2
erschienen in: das Orchester 04/2005 , Seite 87

Die Posaunisten sind wirklich arm dran. Fürs Horn haben Mozart, Lortzing, Weber und Richard Strauss Konzerte geschrieben, für die Trompete Haydn und Johann Nepomuk Hummel, selbst für die Tuba immerhin noch Ralph Vaughan Williams. Sind die Blechbläser insgesamt also nicht gerade üppig bedient mit attraktiver Konzertliteratur, so kommt die Posaune dabei
extrem zu kurz. Das führt dazu, dass eine der wenigen Plattenaufnahmen mit Posaunenkonzerten nach fast 30 Jahren jetzt als CD wieder auferstehen muss. Der Herr auf dem Cover ist entsprechend älter geworden, aber ansonsten hat die Produktion nichts an Aktualität eingebüßt. Nach wie vor können sich die Posaunisten an wenigen konzertanten Stücken aus der Feder Posaune spielender Komponisten der Kategorie 2b oder 3 erfreuen. Damit erschöpft sich das Repertoire für CDs, im Konzertbetrieb spielen diese Stücke überhaupt keine Rolle, während Posaunenstudenten und Probespiel-Juroren sie wahrscheinlich rückwärts singen können. Das musikalische Material und dessen Verarbeitung sind meistens ebenso dilettantisch wie die Orchesterbehandlung, aber dafür wird der Solist mit allerhand Virtuosenwerk bedacht. Eine brillante Kür vor liebloser Kulisse.
Wie dem auch sei, hier ist ein Meister seines Fachs am Werk. Armin Rosin hat dieses Repertoire Mitte bis Ende der siebziger Jahre aufgenommen – teilweise auf der Grundlage handschriftlich überlieferten Notenmaterials aus eigenem Besitz. Das technisch brillante Spiel und der elegante, schlanke Ton des Solisten verleihen den Aufnahmen auch heute noch den Charakter des Mustergültigen. Sowohl in schnellen gestoßenen Passagen als auch in schwierigstem Legato legt Rosin eine Perfektion an den Tag, die man üblicherweise nur auf einem Ventilinstrument erwarten würde. Nach quälenden 50 Minuten kompositorischer Mittelmäßigkeit in den Stücken von Friedebald Graefe, Ernst Sachse, Eugen Reiche und Josef Serafin Alschausky wird man als Hörer und Nicht-Posaunist endlich noch für runde zwanzig Minuten entschädigt durch das Konzert für Trompete, Posaune und Orchester von Jan Koetsier. Der Niederländer kennt sich nicht nur bestens mit den Eigenheiten der Blechblasinstrumente aus, er hat auch als Komponist etwas zu sagen. So gerät die Einspielung dieses Stücks unter Beteiligung des 1998 verstorbenen englischen Trompeters John Wilbraham zum Lichtblick auf dieser CD.
Respekt zollen muss man den Nürnberger Symphonikern unter der Leitung von Uri Segal, die den sicher nicht sehr motivierenden Partituren der Konzerte das Äußerste abringen und den Solisten damit kollegial unterstützen. Warum die CD-Neuauflage den reißerischen Titel Romantik pur trägt, erschließt sich nicht. Unter Romantik stelle zumindest ich mir – selbst im landläufigen Sinne – etwas anderes vor.
Arnd Richter

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