Reger, Max
Romances op. 50/Violin Concerto op. 101/Aria op. 103 a no. 3
Im Laufe seines Lebens wandelte sich die positive Einstellung von Max Reger zu seinem einzigen Violinkonzert grundlegend. Schrieb er 1907 noch: ich habe das Gefühl, dass ich mit diesem Violinkonzert die Reihe der 2 Konzerte Beethoven-Brahms um eines vermehrt habe! Außer Beethoven und Brahms haben wir doch kein Violinkonzert bis jetzt!, so wurde die Einstellung gegenüber dem von dem Geiger (und Komponisten) Henri Marteau 1908 in Leipzig uraufgeführten Werk später zunehmend kritischer. Wobei nicht die großformatig-symphonische Anlage des Werks, die Solist und Orchester vor hohe Anforderungen stellt, sondern vor allem die Instrumentation von Reger als problematisch gesehen wurde. Dabei reagierte der Komponist, dessen mehr als distanzierte Haltung zur professionellen Kritik bestens dokumentiert ist, nicht auf die teilweise sehr polemischen Beleidigungen, die sich in vielen Rezensionen des Konzerts niederschlugen, sondern auf seine eigene Erfahrung als Dirigent des Werks. Auch gegenüber Adolf Busch, der zum Lieblingsgeiger Regers wurde, äußerte der Komponist sich sehr distanziert ob der mangelnden Transparenz der Violinkonzertpartitur.
Der frühe Tod Regers 1916 verhinderte eine mögliche Revision des Orchesterparts. 1938, kurz vor seiner Emigration nach Nordamerika, beendete Adolf Busch seine die Intentionen Regers aufnehmenden Fassung des Konzerts, die nach den Worten des Bearbeiters einer grundlegende Neugestaltung der Instrumentation der Orchesterstimmen bedurfte. Der 1942 uraufgeführten Busch-Fassung des A-Dur-Konzerts in New York, von der ein Mitschnitt existieren soll, war indes kein Erfolg beschieden.
Kolja Lessing, als Geiger und professioneller Pianist eine erstaunliche Doppelbegabung, hat sich nun gemeinsam mit dem Dirigenten Christoph-Mathias Mueller und dem zuverlässigen Göttinger Symphonieorchester der Busch-Fassung in der ersten Studioeinspielung angenommen. Lessing, dessen Einsatz für weniger im Mittelpunkt des Publikumsinteresses stehende Werke ihn zu einem anerkannten Interpreten von Kompositionen von Johann Paul von Westhoff bis hin zu Philipp Jarnach, Berthold Goldschmidt oder Wladimir Vogel macht, zeigt sich als ein Geiger mit klarem, kristallinem, durchaus wandelbarem Ton, der sich den immensen, Virtuosität nicht in den Vordergrund rückenden Anforderungen mit Aplomb und Wagemut stellt. An der Struktur des Werks orientiert, die musikalischen Linien differenziert nachzeichnend, könnte nur gelegentlich ein Mehr an Klangfarben das gute Ergebnis zu einem außergewöhnlichen machen.
Mueller und die bisweilen an ihre Grenzen kommenden Göttinger sind Lessing bei dem Versuch, die gewaltigen Klanggebirge aufzulichten, die auch in der Busch-Fassung noch beachtlich sind, engagierte Partner. Von der lyrischen Seite der Musik Regers zeugen die beiden Romanzen für Violine und Orchester sowie die hier erstmals in der Orchesterfassung Regers eingespielte Aria op. 103 a Nr. 3 (ursprünglich für Violine und Klavier). Auch hier zeigt sich Lessing, von dem auch der informative Booklet-Text stammt, als ein stets kontrolliert-einfühlsamer Sachwalter des Komponisten.
Walter Schneckenburger