Helmut Loos und Richard-Wagner- Verband Leipzig e. V. (Hg.)
Richard Wagner
Persönlichkeit, Werk und Wirkung. Leipziger Beiträge zur Wagner-Forschung, Sonderband
Jede Zeit hat ihren Wagner. Und jedes der so entstehenden Wagner-Bilder sagt eine Menge über seine Zeit. Und kein anderer Komponist hat wie Richard Wagner die unterschiedlichsten Zweige der Musikforschung und nicht nur dieser beschäftigt und polarisiert. Und so hat auch jede Zeit ihre Wagner-Forschung. Schließlich verrät auch diese vor allem sehr vieles über ihre Zeit. Die Flut der dem Erfinder des Musikdramas gewidmeten Publikationen dieses Jahres legt beredtes Zeugnis davon ab.
Im Fall des ehrgeizigen Projekts von Helmut Loos, Leiter des Instituts für Musikwissenschaft der Universität Leipzig, ist es allerdings erklärtes Ziel, ein möglichst repräsentatives Bild der Wagner-Forschung anno 2013 zu zeichnen. Und dieses Bild ist schlagend nicht nur des Buchumfangs und der edlen und attraktiven Aufmachung wegen.
Der 200. Geburtstag des Komponisten war Anlass für eine international viel beachtete Konferenz, die das Institut in Kooperation mit dem örtlichen Richard-Wagner-Verband durchgeführt hat. Die erste im Fach und im deutschen Sprachraum, die den Tagungsband als Gesprächsgrundlage schon vor der Konferenz herausbringt. Und dieser Tagungsband kann sich sehen lassen, nicht nur inhaltlich, sondern auch, was seine Ausstattung betrifft. Er zeichnet ein klares Bild davon, was die Geistes- und Sozialwissenschaften aktuell an dem Phänomen Richard Wagner interessiert und was nicht.
Konnte man sich vor 20 Jahren kaum Richard Wagner in sozial akzeptabler Weise zuwenden, ohne das Problem Antisemitismus nicht wenigstens zu berühren, so spielt der Themenkreis aktuell kaum eine nennenswerte Rolle.
Das Frühwerk des Meisters bis heute im Repertoire der großen wie der kleinen Opernhäuser kaum verankert ist aktuell ein zentrales Thema der Wagner-Forschung. Damit zeigen die Wissenschaftler aus aller Welt, dass sie auf Augenhöhe sind mit den aktuellen Rezeptionsversuchen der Opernhäuser. Neben regionalen Bezügen ist es vor allem die internationale Wagner-Rezeption, die eine zentrale Rolle spielt. Im Sinn einer Forschungstradition des Leipziger Instituts liegt hier ein gewisser Fokus auf Mittel- und Osteuropa, wird aber auch ein Schlaglicht auf die jüngere deutsch-deutsche Vergangenheit gerichtet.
Ein faszinierendes Kaleidoskop der internationalen Richard-Wagner-Forschung stellt sich dar, bei dem gerade die Begegnung sehr verschiedener Forschungsansätze und Forschergenerationen zu faszinieren vermag. Dass das den musikwissenschaftlichen Diskurs in überaus interessanter Weise anreichert, ist das eine. Doch so mancher Ansatz lässt auch erhoffen, dass er in Dialog mit der musikalischen Praxis tritt. Doch generell, kann man sagen, liest sich das Buch spannend und anregend nicht nur
für ein Fachpublikum. Musikfreunde verschiedenster Couleur dürften hier Anregungen finden, vor allem, weil Loos sich nicht einer einzigen Schule verpflichtet zeigt.
Tatjana Böhme-Mehner


