Hansen, Walter
Richard Wagner
Sein Leben in Bildern
So wenig es an Wagner-Biografien mangelt, so wenig an entsprechenden Bildbänden. Ein neuer Versuch erscheint aber insofern legitim, als keiner der großformatigen Bildbände zurzeit im Handel erhältlich ist. Selbst die 1975 erschienene und 1982 als Taschenbuch neu herausgegebene Dokumentation Richard Wagner Leben und Werk in Bildern und Dokumenten von Herbert Barth, Dietrich Mack und Egon Voss ist nicht mehr lieferbar.
Aber schon die äußere Anmutung des neuen Bandes enttäuscht. Wie sollte es möglich sein, Wagners bewegtes Leben auf nur 176 Seiten im Taschenbuchformat zu veranschaulichen? Der allzu vollmundige Untertitel müsste besser lauten: Bilder aus seinem Leben. Die Auswahl der Lebensstationen, zu denen jeweils ein kurzer Text und in der Regel ein bis drei Abbildungen geliefert werden, orientiert sich, chronologisch geordnet, an den prägenden biografischen Ereignissen. Bei der Auswahl der insgesamt rund 180 Bilder wird jedoch bereits eine Tendenz erkennbar, die sich auch in den Begleittexten niederschlägt. Karikaturen spielen eine völlig überdimensionierte Rolle, sprich: Der Autor setzt vor allem auf das Komische, Groteske und Sensationelle in Wagners Leben, Charakter und Verhalten. Die eingestreuten erzählerischen Texte (Klappentext) kreisen denn auch häufig um Anekdoten, die mit Wagners autobiografischen Äußerungen, Briefausschnitten, Erinnerungen von Zeitgenossen und Fakten weitgehend unkritisch zusammengemengt werden.
Die Texte entstammen teilweise der ein Jahr zuvor ebenfalls bei dtv veröffentlichten Wagner-Biografie des Autors, allerdings in so gedrängter Form, dass nun die zahlreichen Fehler, Verdrehungen und Halbwahrheiten störend, ja verstörend wirken. So werden etwa Die Feen als märchenhafte Geschichte aus deutscher Ritterzeit, Tannhäuser als durchkomponiertes Musikdrama bezeichnet, oder wird behauptet, Wagner habe die Gesamtrechte an Rienzi für 300 Taler verkauft (in Wirklichkeit das Honorar für die Dresdner Aufführungen). Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Wie sehr Hansen Wagners Biografie als gelebten Trivialroman sieht, lässt sich nicht nur an der Neigung zu Kalauern und Bonmots, sondern auch in der Obsession auf amouröse Bekanntschaften ablesen. Hier fehlt nun kaum eine der bekannt gewordenen Frauen samt Abbildung. Allerdings verlässt der Autor häufig den Boden gesicherter Tatsachen. Im Gegenzug ist herzlich wenig vom Künstler und Komponisten Wagner die Rede bezeichnenderweise gibt es im ganzen Buch nur zwei Abbildungen der ungewöhnlich klaren und charakteristischen Handschrift Wagners.
Was das Sprach- und Stilniveau angeht, spricht nachfolgender Auszug (im Kontext mit Wagners Flucht aus Dresden) wohl für sich selbst: Der [Franz Liszt] lebte mit Carolyne Fürstin von Sayn-Wittgenstein zusammen, einer tiefreligiösen Frau, die ihn zu gemeinsamem Beten vor dem Hausaltar anhielt und wohl weniger Kurzweil bot als seine Bettgespielinnen wie weiland Lola Montez. Das war Wagners Glück. Denn als Franz Liszt Anfang März 1848 nach Dresden kam, hatte er genügend Zeit für Gespräche und gemeinsames Musizieren mit Wagner. Sie wurden Freunde.
Peter Jost