Murnau, Friedrich Wilhelm

Richard Wagner

Stummfilm, Deutschland 1913,

Rubrik: DVDs
Verlag/Label: Edition Murnau/Transit Film 88883 79595 9
erschienen in: das Orchester 07-08/2014 , Seite 83

Dass man aus Anlass von Wagners 100. Geburtstag einen biografischen Spielfilm gedreht hat, wird in der Fachliteratur zwar regelmäßig erwähnt, doch vermutlich hat ihn kaum einer der Autoren gekannt. Der Stummfilm verschwand schon bald nach der Berliner Uraufführung im Archiv und wurde erst im 100. Gedenkjahr von Wagners Tod von einigen Sendern als 70-minütige Fassung mit einer neuen, vorwiegend aus Wagner-Zitaten zusammengesetzten Filmmusik von Armin Brunner ausgestrahlt. Danach wurde es wieder still, bis er kurz vor Schluss des Wagner-Jahres 2013 auf DVD erschien – jetzt aber mit einer Spieldauer von 98 Minuten, der Originalmusik von Giuseppe Becce und aufwendig restauriert: Eine verblüffende Bildqualität und die historisch mustergültige Aufbereitung mit viragierten Szenerien garantieren einen optischen Hochgenuss.
1913 ging es natürlich um keine kritische Auseinandersetzung mit Wagner (zumal Cosima Wagner, die Gralshüterin, noch lebte!), sondern ausschließlich um die Ehrung des „Gnomen aus Sachsen mit dem Bombentalent und dem schäbigen Charakter“, wie ihn Thomas Mann einmal bezeichnet hat. Da viele Details der Biografie damals noch nicht bekannt waren, konnte man sich dabei ohnehin einige Flüchtigkeiten oder Beschönigungen erlauben und Unvorteilhaftes unterdrücken. So hinderte Wagner den brutalen Anarchisten Michael Bakunin daran, das Porträt des sächsischen Königs von der Wand zu reißen, die Dresdener Maiaufstände von 1849 begleitete er nur „beobachtend“, und während seiner Ehe mit Minna gab es selbstverständlich nie eine andere Frau. Mathilde Wesendonck etwa war nur ein „ideales Verhältnis“, in dem die von „Eifersucht und Taktlosigkeit“ getriebene Minna aber eine bedrohliche Affäre sehen wollte und damit die Trennung von Richard selbst verschuldete: „Einsam und verlassen von allen, lebte er nur noch seiner Arbeit“, wie anschließend ein Zwischentitel versichert. In der letzten Szene huldigen die Hauptfiguren der Musikdramen ihrem Schöpfer am geschmückten Grab, was auch den unerbittlichsten Gegner rühren muss.
An dem tricktechnisch erstaunlich ambitionierten Streifen waren ei-
nige filmgeschichtliche Pioniere beteiligt – darunter als Produzent Oskar Mester und Carl Froelich als Regisseur. Ein absoluter Glücksgriff ist aber Giuseppe Becce in der Titelrolle, der Wagner nicht nur verblüffend ähnlich sieht, sondern auch noch die Filmmusik komponierte. Dies war außerordentlich schwierig, da er aus urheberrechtlichen Gründen hierfür nichts aus Wagners Feder verwenden durfte und ihn doch nicht ignorie-
ren konnte. Neben Stücken von Mozart, Beethoven und Rossini kopierte er also dessen Stil bis nahe ans Plagiat. Die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter der Leitung von Frank Strobel hat den von Bernd Schultheis rekonstruierten Soundtrack beigesteuert – leider wurde nicht die seinerzeit übliche kammermusikalische Besetzung verwendet. Dass ein informatives Booklet fehlt, ist für das Medium DVD zwar typisch, in diesem Zusammenhang aber kaum entschuldbar.
Georg Günther