Lütteken, Laurenz

Richard Strauss. Die Opern

Ein musikalischer Werkführer

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: C.H. Beck, München 2013
erschienen in: das Orchester 01/2014 , Seite 68

In der Reihe „Wissen – Musik“ des C.H. Beck-Verlags wird jeweils eine repräsentative Gattung im Werk eines Komponisten beleuchtet mit dem Ziel, ebenso den Stil und die Kompositionstechnik darzustellen als auch eine musikgeschichtliche Einordnung zu ermöglichen. Rechtzeitig zum Richard-Strauss-Jahr 2014 widmet Laurenz Lütteken einen Band den Opern des 1864 geborenen Münchners. Lütteken unterteilt das Opernschaffen des Komponisten in drei Abschnitte: „Opern vor Hofmannsthal“, „Strauss und Hofmannsthal“ und „Jenseits von und nach Hofmannsthal“. Diese Einteilung ist überzeugend, denn die kongeniale Zusammenarbeit zwischen dem Dichter und Komponisten ist sicherlich eine der Grundbedingungen für die Bedeutung des Strauss’schen Opernwerks.
Bei der musikgeschichtlichen Einordnung geht es Lütteken auch darum, Theodor W. Adornos Strauss-Kritik, die eine ganze Generation von Musikwissenschaftlern geprägt hat, zu überwinden. Strauss ist für ihn der Komponist einer „anderen Moderne“, der mit dem 19. Jahrhundert gebrochen hat, da er sich vom „Paradigma der Instrumentalmusik“ befreite, in der „Tondichtung“ sich auf außermusikalische Ideen berief, sich vom Mittelalter loslöste, eine „antiwagnerische Antike“ suchte und dem Musiktheater „Menschenmaߓ, „Dialog“ und eine neue Plastizität verlieh. Dieses Musiktheater zielt, so Lütteken, auf eine „kompromisslose, antimetaphysische Gegenwärtigkeit von Kunst, Musik und Drama – und ihm ist deswegen keine geschichtliche Perspektive mehr zu eigen“.
So verdienstvoll dieser Versuch einer neuen Einordnung ist, er befriedigt nicht ganz; denn bei aller „Gegenwärtigkeit“ des Musiktheaters von Strauss: Geschichte ist für dieses Theater ein wichtiges Thema, etwa das Rokoko im Rosenkavalier oder der alte Orient in Salome. Andere Einordnungsversuche, etwa von Hartmut Schick, sehen deshalb im Werk von Richard Strauss eine Vorwegnahme postmoderner, mit geschichtlichen Versatzstücken gestaltender Kompositionskunst. Doch auf jeden Fall trägt Lütteken zur wichtigen Diskussion in unserer Zeit bei, ein neues, differenzierteres Verständnis der musikgeschichtlichen Stellung von Richard Strauss zu entwickeln.
Für den Leser des Bändchens ergeben sich in den einzelnen Beschreibungen der Opern viele neue Erkenntnisse und Vertiefungen des Werkverständnisses. Sie gliedern sich jeweils in einen Abschnitt über die Entstehungsgeschichte, den Inhalt und über musikalisch stilistische Besonderheiten. Dieser „musikalische Werkführer“ ist eine vortreffliche Vorbereitung auf einen Opernbesuch. Allerdings konzentriert er sich ganz „altmodisch“ und als Kontrapunkt zum heutigen „Multimediazeitalter“ auf das Wort. Es gibt weder Bilder noch Notenbeispiele. Zumindest einige Notenbeispiele würden die stilistischen Betrachtungen etwas plastischer werden lassen. Doch insgesamt betrachtet ist dieses Taschenbuch ein wichtiger und das Verständnis von Strauss vertiefender „musikalischer Werkführer“.
Franzpeter Messmer