Gilliam, Bryan

Richard Strauss

Magier der Töne. Eine Biographie

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: C.H. Beck, München 2014
erschienen in: das Orchester 07-08/2014 , Seite 69

An Richard Strauss scheiden sich – zumal in der Musikwissenschaft – immer noch die Geister. Im Gegensatz zur US-amerikanischen Strauss-Forschung wurde der Publikumsliebling Richard Strauss, dessen Werke zu den am häufigsten aufgeführten zählen, hierzulande lange ignoriert bzw. nicht ernst genommen – was mehr mit politischen und ideologischen Aspekten des Phänomens Richard Strauss zu tun hat als mit rein musikalischen. Und dass ihm immer wieder vorgeworfen wurde, er habe die Substanz des Tonsatzes dem Gewand der klanglichen Außenseite geopfert und nach und nach den Kontakt zur Musik der Gegenwart verloren, greift zu kurz.
Bryan Gilliam, Professor an der Duke University in Durham in North Carolina, stellt in seiner wohlwollenden Biografie das „Paradoxon des Bürger-Künstlers“ dar, einer vielschichtigen Persönlichkeit, die sich „weder am Spieltisch, noch im Leben in die Karten schauen“ ließ, weshalb er sich mit einer Mauer der Selbststilisierung geschützt habe. Musikalisch sei Strauss als Komponist mit der „Neigung, das Banale mit dem Erhabenen zu vermischen“, das Billige mit dem Kostbaren, einzigartig.
Natürlich klammert Gilliam in seinem Buch das Thema Politik nicht aus. Doch Strauss (ähnlich wie Wagner) lediglich aus der Post-Holocaust-Perspektive zu beurteilen, hält Gilliam für unangemessen. Vielmehr untermauert er seine Strauss verteidigende Haltung mit dem Zitat des berühmten, von der „Gestapo“ abgefangenen (und zu des Komponisten Entlassung aus dem Amt des Präsidenten der Reichsmusikkammer führenden) Briefs an Stefan Zweig, in dem es heißt: „Glauben Sie, dass ich jemals aus dem Gedanken, dass ich Germane […] bin, bei irgend einer Handlung mich habe leiten lassen? Glauben Sie, dass Mozart bewußt ,arisch‘ komponiert hat? Für mich gibt es nur zwei Kategorien Menschen; solche, die Talent haben und solche, die keins haben.“
Wie viel Talent Richard Strauss hatte, mehr in der Musik als im Leben, das für ihn, seit Goebbels ihn seiner Antipathie versicherte, zunehmend bitter wurde, bis in seine letzten Jahre hinein, die ihn „müd gemacht“, stellt Gilliam in seiner chronologisch angelegten Biografie anschaulich dar. Strauss, „der in der Vergangenheit Politiker mit Erfolg manipuliert hatte, um seine Ziele zu erreichen, war am Ende derjenige, der manipuliert wurde“, so liest man im fünften Kapitel.
Die insgesamt sechs Kapitel sind flüssig und gut lesbar geschrieben und mit Anmerkungen, Literaturhinweisen und Personen- und Werkregister versehen. Als erste Auseinandersetzung mit dem Phänomen Richard Strauss ist dieses Buch durchaus zu empfehlen. Wer sich differenzierter mit Strauss, seinem Werk und seiner Wirkung auseinandersetzen möchte, kommt an dem im Mai erschienenen Richard Strauss-Handbuch (Bärenreiter/Metzler, Kassel/Stuttgart 2013) nicht vorbei.
Dieter David Scholz