Goltz, Maren / Herta Müller
Richard Mühlfeld der Brahms-Klarinettist
Ein Glücksfall für die Musikwelt ist die späte Begegnung von Johannes Brahms mit dem Meininger Klarinettisten Richard Mühlfeld, hat dessen Spiel ihn doch in seinen letzten Lebensjahren noch einmal dazu gebracht, sich intensiv dem Komponieren zu widmen. Aus der Wertschätzung der Klarinette und deren vorzüglichem Spieler sind vier Meisterwerke der Kammermusik hervorgegangen: Zunächst das Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier op. 114, dann das Klarinettenquintett h-Moll op. 115 und schließlich die beiden Sonaten für Klarinette und Klavier op. 120.
An der Verbreitung dieser für ihn geschriebenen Werke war Mühlfeld auch in außerordentlicher Weise beteiligt. Bis zu seinem frühen Tod im Alter von 51 Jahren hat er innerhalb von etwa fünfzehn Jahren 126-mal das Quintett und jeweils etwa 50-mal das Trio und die erste Sonate aufgeführt, darunter etliche Male mit Brahms selbst am Klavier.
Die Erinnerung an seinen 100. Todestag, er starb am 31. Mai 1907, beflügelte die Meininger Musikwissenschaftlerinnen Maren Goltz und Herta Müller, eine Monografie Mühlfelds auf der Basis der vorliegenden Zeitdokumente herauszugeben.
Über das Leben Richard Mühlfelds, der im Todesjahr von Robert Schumann, 1856, in Salzungen als Sohn eines Stadtmusikers das Licht der Welt erblickte, und 1873 zunächst als 2. Geiger (!) in die Meininger Hofkapelle eintrat, sind wir dank der Aufzeichnungen seines älteren Bruders Christian aufs Beste informiert. Diese werden jetzt erstmals in einer vollständigen und sehr detailliert kommentierten Edition zugänglich gemacht. Die biographische Skizze hat Christian, selbst kundiger Musiker, kurz nach dem Tod Richard Mühlfelds für die Angehörigen niedergeschrieben. Sie sind mit aller Sympathie für den genialen jüngeren Bruder geschrieben, aber in einem gut lesbaren, alles Poetisierende und Übertreibende vermeidenden Stil. Es ist ein Dokument, das zugleich den Zeitgeist erfasst und über das Meininger kulturelle Leben am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts hinaus verweist.
Neben dieser für die Nachwelt lesenswerten Schrift hat Christian auch die Konzerte seines Bruders sorgfältig aufgelistet und entsprechende Unterlagen gesammelt. Somit sind wir über die 30-jährige Konzertreisetätigkeit, die Richard Mühlfeld durch ganz Europa geführt hat dabei besonders gern als Gast in England weilend umfassend informiert. Ein Verzeichnis der von Mühlfeld aufgeführten Kompositionen zeigt das breite stilistische Spektrum des Musikers.
Für die Zeit von 1891 bis 1907 liegen von Christian gesammelte Rezensionen von Auftritten vor, deren Tenor fast ausnahmslos die künstlerische Sonderstellung des Klarinettisten belegt. Immer wieder ist von seiner vollendeten Tonkultur die Rede, von dem Wohllaut, dem reinen, sympathischen Ton, dem seelenvollen Vortrag. Anhand von knapp 500 mitgeteilten Rezensionsauszügen kann man sich ein Bild von den stets qualitätvollen Konzertauftritten machen. Das gesamte sehr umfangreiche Quellenmaterial wurde von den Herausgeberinnen mit allergrößter Akribie erläutert.
Sinnvoll ergänzt wird das biografische Material durch einen Aufsatz Jochen Seggelkes über die in Meiningen erhaltenen Ottensteiner-Klarinetten Mühlfelds und ein Verzeichnis der Kompositionen Mühlfelds, unter denen sich allerdings keine Klarinettenwerke befinden. Das Buch ist mit Bildmaterial hervorragend ausgestattet und wartet mit einem interessanten Layout auf. Der Bedeutung Mühlfelds für das Musikleben in England wird das Buch auch durch seine zweisprachige Anlage gerecht.
Heribert Haase