Rhythm is it!

You can change your life in a dance class. Music from the motion picture

Rubrik: CDs
Verlag/Label: BPH 0401
erschienen in: das Orchester 07-08/2005 , Seite 92

Dass es dringend notwendig ist, neue und vor allem junge Hörerschichten an die klassische Musik heranzuführen und dass diese Arbeit nicht mehr allein von der Schule übernommen werden kann, hat sich mittlerweile bei den Orchestern herumgesprochen – auch bei den deutschen. Daher schießen Jugendprojekte wie Pilze aus dem Boden. Zeit wird’s, wenn man nicht in wenigen Jahrzehnten die Konzertsäle zu Supermarktfilialen umfunktionieren möchte.
Das Education-Programm der Berliner Philharmoniker, ZUKUNFT@BPHIL, hat bereits mit seinem ersten Projekt unter der Leitung Simon Rattles einen großen Coup gelandet: Der Film Rhythm is it! begleitet Schüler und Orchester bei der Realisation einer Choreografie von Strawinskys Le sacre du printemps. Nach wochenlangen Proben führten die Jugendlichen – von denen fast niemand vorher mit klassischer Musik in Berührung gekommen war –, die Philharmoniker und Sir Simon das Ergebnis ihrer gemeinsamen Arbeit vor einem begeisterten Publikum auf, und der ein Jahr später präsentierte Film entpuppte sich als Überraschungserfolg, der lange Zeit in den Kinos lief und zum Teil noch immer läuft.
Nun ist der Soundtrack zu Rhythm is it! auf CD greifbar; er besteht – natürlich – aus Strawinskys Sacre in einer bisher unveröffentlichten Interpretation von Simon Rattle und seinem Berliner Orchester, der kurzen Antrittsrede Rattles vor dem Orchester, dem Film-Score von Karim Sebastian Elias sowie, last but not least, dem Rap-Song Versteck dich nicht! der Wickeds; dieser Song steht im Film quasi als Motto über dem Projekt. Es spricht für Elias’ Score, dass er auch außerhalb des Films für sich einzunehmen vermag. Die etwa 20-minütige Suite erinnert in ihrer ruhigen, keineswegs kitschigen Emotionalität gelegentlich an
Aaron Coplands Filmmusiken, und einmal grüßt auch das Fagottsolo des Sacre-Beginns von ferne.
Und der Sacre selbst? Wer Rattles Einspielung mit dem City of Birmingham Symphony Orchestra kennt, wird sich zu Hause fühlen: Weniger auf Brutalitätsexzesse kommt es Rattle an als auf die Verdeutlichung des kreatürlichen Aspekts von Partitur und Sujet – das Durchschimmern des Frühlings unter der Eisdecke, das Opfer eines leidenden Menschen im finalen Tanz. Leider ist das Klangbild alles andere als optimal, weil ziemlich entfernt und wenig dynamisch. Dennoch vermag sich die Interpretation in ihrer Eigenständigkeit zu behaupten. – Für den Sacre gibt es nur einen einzigen Track, ohne dass irgendwo die Titel der einzelnen Abschnitte vermerkt wären; eine etwas lieblose Behandlung des heimlichen Hauptdarstellers von Rhythm is it!
Die CD eröffnet nicht wirklich neue Sichtweisen auf das ebenso zukunftsweisende wie Mut machende Projekt – aber vielleicht kauft sie sich ja jemand, der den Film gesehen hat und auf diese Weise dazu kommt, sich mit Strawinskys Musik in Ruhe auseinander zu setzen. Damit hätte sie schon einiges bewirkt.
Thomas Schulz

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