Rachmaninov, Sergej

Rhapsody on a theme of Paganini op. 43 / Concerto for piano and orchestra No. 2 in C minor op. 18

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Deutsche Grammophon 477 9308
erschienen in: das Orchester 10/2011 , Seite 70

Nur wenige Solisten haben die Ehre mit Claudio Abbado zu musizieren. Der jungen Chinesin Yuja Wang ist dies gelungen. Sie wird vom alten Maestro protegiert und legt nun bei der Deutschen Grammophon eine Einspielung von Rachmaninows Paganini-Rhapsodie und dem zweiten Klavierkonzert vor, ihre erste Aufnahme mit Orchester. Freilich gibt es von diesen Werken unzählige Einspielungen, die als Referenz gelten. Bei der Rhapsodie etwa haben Artur Rubinstein oder Zoltán Kocsis Maßstäbe gesetzt, beim Klavierkonzert Swjatoslaw Richter oder der junge Jewgenij Kissin, um nur einige zu nennen. Ganz zu schweigen von Rachmaninows eigenen Einspielungen aus der Frühzeit der Schallplattenära. Da ist es bei jeder Neuaufnahme zunächst schwer, sich gegen die historische Konkurrenz durchzusetzen.
Doch Wang verblüfft gleich in der Paganini-Rhapsodie mit brillanter, streckenweise sensationeller Technik und flott-jugendlichem Draufgängertum. Da glitzert der Klavierpart in allen möglichen Schattierungen. Die Pianistin nähert sich unpathetisch, eher modern-nüchtern dem Werk. Das Mahler Chamber Orchestra ist ein idealer Partner. Das konzentrierte Auf­einander-Hören ist bewundernswert. Plötzlich erlebt man, wie großartig Rachmaninow orchestrieren konnte. Schöne Soli von Holzbläsern und stimmungsvolle Streicher runden das Bild ab. Bemerkenswert ist auch, wie zart Wang und das Orchester die berühmte Andante-cantabile-Variation Nr. XVIII angehen und erst allmählich steigern.
Die in Beijing, am Mount Royal College in Calgary/Kanada sowie am Curtis Institute of Music in Philadelphia ausgebildete Pianistin verkörpert eine Fusion von asiatischen und amerikanischen Ausbildungsmethoden. Auf dem Albumcover präsentiert sie sich mit dicker Pelzmütze. Damit möchte sie offenbar auf ihre russische Seele in Sachen Rachmaninow verweisen.
Natürlich ist ihre Interpretation des zweiten Klavierkonzerts alles andere als „schwere Kost“, sondern ihr Anschlag besticht erneut durch einen hellen und klassizistischen Klang und rasantes Passagenwerk. Das Orchester hat in diesem Konzert bekanntlich einen gewichtigen Part, gegen den sich das Klavier an vielen Stellen nur schwer durchsetzen kann. Da macht die Besetzung mit einem Kammerorchester natürlich Sinn. Abbado führt die Musiker mit dem Gehör des Wissenden für wichtige Melodiestimmen und setzt insgesamt auf Transparenz.
Trotz aller technischer Meriten der Pianistin bleibt der Eindruck künstlerisch nicht ganz so überzeugend wie in der Paganini-Rhapsodie. Höhepunkt ist sicher der langsame Satz, den sie fast impressionistisch gestaltet und zur Mitte hin aufreizend verdichtet. Für eine Liveaufnahme (Teatro Communale di Ferrara, April 2010) klingt das Resultat zudem erstaunlich perfekt. Schlussendlich legen Wang und Abbado zwar keine diskografischen Referenzaufnahmen vor, allerdings zwei gute, durchdachte und absolut hörenswerte Interpretationen.
Matthias Corvin

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