George Gershwin
Rhapsody in Blue
for Solo Piano and Jazz Band (1924); bearbeitet von Ferde Grofé, hg. von Ryan Raul Bañagale, Partitur/Klavierausgabe
Die Rhapsody in Blue von George Gershwin ist vielleicht die Ikone der US-amerikanischen Musik. Das Stück wurde am 12. Februar 1924 in einem als „Experiment in Modern Music“ überschriebenen Konzert vom Auftraggeber Paul Whiteman und seinem Concert Orchestra uraufgeführt. Dessen Intention war es, zeitgenössische nationale Kompositionen mit dem Sound eines Jazzorchesters zu verbinden. Gershwin gelang mit seiner Synthese von unterhaltender und sinfonischer Musik ein anhaltender Welterfolg.
Ein enormer Zeitdruck hatte Einfluss auf die Entstehung des Werks. Gershwins Manuskript für Klavier und Jazz Band enthält Anmerkungen für die Instrumentation, die Orchestrierung übernahm Ferde Grofé, Pianist und Arrangeur von Whiteman. Mehrere Klavierkadenzen ermöglichen Umgestaltungen wie Kürzungen oder Improvisationen, sie reduzieren die instrumentalen Anteile.
Die Rhapsody in Blue erscheint als einer der ersten Bände der neuen George and Ira Gershwin Critical Edition. Die Rhapsody wird sowohl als Partitur des Erstarrangements als auch in der Fassung mit der Reduktion des Instrumentalparts auf ein zweites Klavier publiziert. Neben dem Notentext sind detaillierte Ausführungen zur Entstehung des Werks, zur Rekonstruktion der Partitur, den musikalischen Themen, zu den Quellen und zur Aufführungspraxis enthalten, unterstützt von einigen Faksimiles. Ein sehr umfangreicher editorischer Bericht mit einem akribischen kritischen Apparat unter präziser Referenz auf die Quellen, zu denen neben Handschriften und Druckfassungen auch die drei Schallplatteneinspielungen Gershwins zählen, schließt die Bände ab.
Die Edition hat zum Ziel, das für die Uraufführung des Stücks zugrunde liegende Material so genau wie möglich zu rekonstruieren. Dabei wird nicht ein absolut gültiger Notentext angestrebt. Vielmehr können mit dieser Ausgabe Fragestellungen der Musikwissenschaft und der musikalischen Interpretation angestoßen und beantwortet werden.
Die Uraufführung war mit einem um eine Oboe, zwei Violinstimmen, zwei Hörnern sowie Tuba erweiterten Jazzorchester besetzt, einzelne Spieler:innen hatten verschiedene Holzblasinstrumente zu bedienen. Die Rückführung auf das Original legt das Ohr und das Auge frei auf einen eher jazzigen Sound, der in vielen anderen Arrangements der Rhapsody in Blue (selbst Grofé schrieb zwei weitere für größere Ensembles) verloren geht.
Es ist sehr zu begrüßen, dass dem Werk der Gershwin-Brüder eine kritische Gesamtausgabe gewidmet wird, ein Werk, das über die bekanntesten Songs, die oft Jazz-Standards wurden, weit hinausgeht.
Christian Kuntze-Krakau