Theodorakis, Mikis

Rhapsody for Violoncello and Orchestra / Suite from „Les amants de Téruel”

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Coviello Classics COV 30612
erschienen in: das Orchester 03/2007 , Seite 88

Wenn sich aus einem langen schöpferischen Leben nur wenige, dafür äußerst signifikante Bilder und Klänge ins kollektive Gedächtnis einbrennen, mag darin eine Ungerechtigkeit gegenüber dem verbleibenden Œuvre liegen. Andererseits handelt es sich in solchen Fällen oft um wahre Kristallisationspunkte, die mit Person und Moment untrennbare Einheiten bilden. Keine geringe historische Leistung liegt darin, solche Momente in unverwechselbarer Manier mit Wort und Tat erfüllt zu haben.
Die Rede ist von Mikis Theodorakis: Ikonen gleich erscheinen vor dem inneren Auge jene Filmsequenzen aus Alexis Sorbas, in denen Anthony Quinn zu Theodorakis’ Musik Sirtaki tanzt. Und nicht minder einprägsam für ganze Generationen waren jene Momentaufnahmen, in denen Theodorakis als Volkskomponist und -sänger an der Spitze der griechischen Linken für Freiheit und Demokratie kämpfend zu sehen und zu hören ist.
Auch die vorliegende CD bezieht sich insofern auf den politischen Theodorakis, als sie die Verleihung des IMC-UNESCO-Musikpreises dokumentiert, den Theodorakis für sein künstlerisches Werk ebenso wie für sein Engagement im Dienste der Völkerverständigung und der Bewahrung traditionellen Kulturguts im Jahr 2005 in Aachen erhielt. Zwei Werke, deren Entstehung vierzig Jahre trennt, standen auf dem Programm des hier als Livemitschnitt wiedergegebenen Festkonzerts: Repräsentiert die 1997 entstandene Cello-Rhapsodie – nach eigener Aussage – „lyrisches Leben“ nach dem Ausscheiden aus der aktiven Politik, so steht die Suite aus der Ballettmusik Les amants de Téruel (1958) für jene produktive Pariser Zeit, die Anfang der sechziger Jahre durch zunehmende Unruhen in Griechenland und Theodorakis’ politische Aktivitäten jäh unterbrochen wurde.
Interessanterweise zeigt das frühe Ballett größere Nähe zur Musik der Zeitgenossen – Einflüsse der französischen Neoklassizisten und ein wenig Vaughan Williams schimmern hindurch –, während die Cello-Rhapsodie als in sich ruhendes, aus dem Fundus griechischer Lieder und Tänze schöpfendes, demonstrativ volkstümliches Werk eine Position jenseits aller Stildebatten bezieht. Die einzelnen Abschnitte der Rhapsodie sind den neun Musen der griechischen Antike zugeordnet, doch erschließt sich – zumindest für den Nicht-Griechen – kein direkter Bezug der bisweilen schwermütigen Klänge etwa zu Erato oder Thalia, den Repräsentantinnen von Liebeslyrik und Komödie.
Das Sinfonieorchester Aachen musiziert unter seinem jungen Chef Marcus Bosch klangschön und engagiert und erbringt im solistischen Detail ebenso wie in der Stimmigkeit und Balance seines Gesamtklangs einen überzeugenden Nachweis, welch hohe Qualitätsstandards vermeintliche Provinzorchester heutigentags markieren. Johannes Moser – das Booklet präsentiert ihn unnötigerweise in Dressman-Attitüde – spielt hingebungsvoll und mit großer technischer Souveränität den bisweilen kniffligen Cello-Solopart.
Gerhard Anders

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