Schumann, Saint-Saëns, Glière u.a.
Reveries
Romantic Music for Horn and Piano
Natürlich zählt am Ende nur die Musik. Gerade an dieser Stelle muss aber auch deutlich werden, wie sie zustande kommt. Felix Klieser ist ein hervorragender Hornist, doch spielt er ganz anders als seine Kollegen, denn er wurde ohne Arme geboren. Sein Alexander-Horn, ein normales Modell 103, wird an einem Ständer befestigt; die Ventile bedient Klieser mit den Zehen des linken Fußes, eine Dämpfervorrichtung wenn nötig mit dem rechten Fuß. Auf diese Weise hat der 22-jährige Göttinger Preise bei Jugend musiziert errungen, im Bundesjugendorchester mitgespielt und studiert. Wer sich einen der vielen YouTube-Filmchen im Internet ansieht, die über Klieser gemacht wurden, dem bleibt einfach der Mund offen stehen. Ein Beweis dafür, wozu unser Körper in der Lage ist, wenn er denn muss. Und wenn jemand so hart arbeitet wie der Hornist: Acht Stunden am Tag übt er im Schnitt.
Klieser gibt auch regelmäßig Konzerte, u.a. mit seinem Klavierpartner Christof Keymer. Jetzt haben die beiden ihre erste CD mit romantischen Werken für Horn und Klavier vorgelegt. Am erstaunlichsten ist neben der großartigen Ventiltechnik Kliesers dabei der Klang. Denn Fülle und Größe des Waldhornklangs werden nicht unmaßgeblich von der Haltung der Hand beeinflusst, die der Spieler üblicherweise in den Schalltrichter führt und damit den Ton festigt und abdunkelt. Jeder Hornist hat schon einmal probiert, mit ganz offenem Trichter zu spielen und dabei in der Regel festgestellt, wie wackelig, hell und fast blechern das Instrument plötzlich klingt. Nicht so bei Felix Klieser, dessen Aufnahme man die fehlende Trichterhand praktisch nicht anhört. Voll, rund, dunkel und ungeheuer wandlungsfähig ist sein Klang, auf der Aufnahme hin und wieder etwas zu hintergründig gegenüber dem souveränen Klavierspiel Christof Keymers doch das ist ein Problem der Aufnahmetechnik.
Überhaupt ist diese CD alles andere als nur ein Beweis körperlicher Leistungsfähigkeit, sondern voll von wunderbar musikalisch gespielten Hornwerken aus dem 19. Jahrhundert, allen voran Schumanns Adagio und Allegro As-Dur op. 70. Diese möglicherweise erste Komposition, die speziell für das damals neue Ventilhorn geschrieben wurde, meistert Klieser nicht nur sensibel bis in feinste Schattierungen, sondern schlägt im Allegro auch ein atemberaubendes Tempo an. Ein Glanzstück ist auch das unsterbliche Andante C-Dur op. posth. von Richard Strauss.
Bekannt und gern gehört sind die beiden Romanzen von Camille Saint-Saëns, die Es-Dur-Sonate von Rheinberger und die Rêverie von Alexander Glasunow, eine Seltenheit dagegen die vier Stücke für Horn und Klavier von Reinhold Glière, der daneben auch eines der schönsten und schwersten Hornkonzerte geschrieben hat. Vielleicht wird Felix Klieser auch dieses einmal aufnehmen. Ganz sicher wird er jedoch weiter daran arbeiten, in seinem Spiel nicht anders als andere Kollegen beurteilt zu werden. Denn: Ich bin von Beruf Hornist und nicht behindert.
Johannes Killyen