Schumann, Robert
Requiem/Der Königssohn/Nachtlied
Robert Schumanns Requiem, vier Jahre vor seinem Tod in geistiger Umnachtung 1856 entstanden, eignet sich kaum zur Mythenbildung. Auch wenn die Schumann zugeschriebene Äußerung, ein Requiem schreibt man für sich selbst authentisch sein sollte, so zeichnet sich die Musik nicht unbedingt durch extreme Emotionalität oder die Auseinandersetzung mit dem nahenden eigenen Tod aus. Dass Schumann das Dies irae nicht mit theatralischer Wucht und Dramatik versehen hat, wie dies seit Mozarts Requiem fast verpflichtend schien, ist das Ergebnis einer für die Requiem-Vertonungen des 19. Jahrhunderts ungewöhnlichen Konzeption. Ursprünglich hatte Schumann bei der Vertonung des lateinischen Requiem-Textes, wie die Skizzen zeigen, einen Beginn in d-Moll wie bei Mozart im Sinn. Doch der dämonisch-unterfütterte, schon relativ weit ausgeführte erste Satz wurde von Schumann zugunsten einer eher in sich ruhenden Gesamtkonzeption verworfen. Wie herrlich und fromm empfunden,
urteilte Clara Schumann 1854. Ein Urteil, dem sich die Nachwelt nur zurückhaltend anschließen wollte.
Nun ist unter Leitung von Georg Grün mit dem KammerChor Saarbrücken und der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern eine ansprechende Neueinspielung erschienen, die die kontemplativen Momente des Requiems bestens ausleuchtet. Der schlank und dynamisch sehr differenziert singende, in allen Stimmlagen ausgeglichen besetzte Chor, aber auch das Solistenensemble mit der mit leuchtender Höhe agierenden Sopranistin Sibylla Rubens, der markant-expressiven Altistin Ingeborg Danz, dem schlankstimmigen Tenor von Christoph Prégardien sowie dem Bass Yorck Felix Speer steht für eine sehr konzentrierte Sicht des Requiems, die mit viel Innenspannung und feinen Details aufwarten kann. Im Vergleich dazu setzt die jüngst wieder veröffentlichte Einspielung von Bernhard Klee, den Düsseldorfer Symphonikern und dem Chor des Düsseldorfers Musikvereins (EMI 6315202) auf eine eher sportive Dramatik, mit viel Wucht, aber weniger dynamischem Feinschliff. Der Chor klingt zudem wenig transparent, das prominente Solistenensemble ist nicht so homogen wie das aus Saarbrücken. Der positive Eindruck der Neueinspielung wird auch vom Nachtlied für Chor und Orchester op. 108 unterstrichen.
Bei Der Königssohn, der ersten der vier Balladen für Solisten, Chor und Orchester, einer Gattung, die Schumann ins Konzertleben einführte, unterstreichen Grün und das Solistenensemble zu dem sich hier der Bariton Adolph Seidel hinzugesellt die Wirkungsmächtigkeit der Geschichte. Der Dirigent und Chorleiter gestaltete die Handlung um den Königssohn, der sich ein eigenes Reich erwirbt, mit sehr differenziert agierenden Solisten und einem schlank geführten, ausgewogenen Chor. Besonders Christoph Prégardien mit seinem makellos geführten Tenor gelingt es, die charakterliche Entwicklung des jungen Herrschers detailreich nachzuzeichnen.
Walter Schneckenburger