Yun, Isang

Réak/Harmonia/Symphonische Szene/Konzertante Figuren

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Internationale Isang Yun Gesellschaft, IYG 008
erschienen in: das Orchester 01/2011 , Seite 74

In ihrer sehr verdienstvollen Edition stellt die Internationale Isang Yun Gesellschaft auf ihrer neuen und achten CD vier aus den 1960er und 1970er Jahren stammende Orchesterwerke vor, die wichtige Stationen im Schaffen des koreanischen Komponisten repräsentieren. Dabei handelt es sich bei den Aufnahmen um wahre Kostbarkeiten aus verschiedenen Rundfunkarchiven, dirigiert von prominenten Komponistenkollegen, die zu den herausragenden Interpreten zeitgenössischer Musik zählen.
Das früheste Werk, die Symphonische Szene von 1960/61, erklingt in einer eindrucksvollen, nur wenige Jahre nach der Darmstädter Uraufführung entstandenen Studioaufnahme des Sinfonieorchesters des Südwestfunks unter der Leitung des großen Bruno Maderna. Obwohl das Adjektiv „symphonisch“ hier durchaus noch einen Traditionsbezug benennt, mit dem sich das Werk an klassischer Viersätzigkeit orientiert, stehen doch weniger motivische Bezüge als Klangprozesse und Dichtegrade im Zentrum, zu denen sich Yun von der gestischen Malerei Jackson Pollocks inspirieren ließ.
Ein Live-Mitschnitt des SWR-Sinfonieorchesters unter Hans Zender präsentiert die Orchesterkomposition Réak von 1966, ein Hauptwerk Yuns und eine raffiniert instrumentierte Klangfarbenkomposition, in der Yun das Orchester in Klanggruppen gliedert, wobei das Schlagzeug den Formverlauf gliedernd akzentuiert. Dass sich der Komponist hierbei von alt-
koreanischer Zeremonialmusik anregen ließ, ist für westliche Ohren sicher nicht unmittelbar nachvollziehbar. Gleichwohl entfaltet das Werk mit seinen imposanten Klangschichtungen, der eigenwilligen Harmonik und den gleichsam organisch wuchernden Tongirlanden eine geradezu magische Wirkung.
Das für Yuns Musik typische „pflanzenhafte“ Wachstum atmender und vibrierender musikalischer Strukturen prägt auch die beiden anderen Werke für kleinere Ensembles. Harmonia von 1974, mit dem Radio-Sinfonieorchester Basel unter Heinz Holliger, ist mit der Besetzung aus Bläsern, Harfe und Schlagzeug eine atmosphärisch dichte Serenadenmusik, deren gläserne Klänge imaginäre Räume eröffnen, die von warmer flirrender Luft und Naturlauten erfüllt scheinen. In den Konzertanten Figuren von 1972 verzichtet Yun auf das in den anderen Werken prominent vertretene Schlagzeug und setzt ein kleines Orchester mit drei konzertierenden Instrumenten – Flöte, Violine und Oboe – ein. In dem Live-Mitschnitt der Bochumer Symphoniker unter der Leitung von Yuns Landsmann Kyung-Soo Won entsteht ein durchsichtiges Klanggewebe, in dem einzelne melodische Figuren deutlicher hervortreten und fast motivische Präsenz gewinnen, bis im letzten Teil des Werks ein Trio der Soloinstrumente sozusagen den bis dahin verdeckten Kern der Musik bloßlegt.
Dem hohen künstlerischen Wert dieser empfehlenswerten CD-Edition entspricht schließlich auch das vorbildliche Booklet mit den ausführlichen Werkkommentaren von Walter-Wolfgang Sparrer.
Klaus Angermann