Rauschende Melodien
Musik aus DEFA-Filmklassikern
Noch vor der Gründung der DDR ins Leben gerufen und kurze Zeit nach dem Mauerfall verkauft prägte die Deutsche Film AG das Leben ganzer Generationen des früheren Staates. Dabei gehörten unvergessliche filmische Momente ebenso zum Erbe der staatlichen Filmproduktionsstätte wie der Auftrag, die deutschen Köpfe vom Faschismus zu befreien und auch zu sozialistischen Bürgern zu erziehen. Heutzutage rückt die Besinnung auf diesen Teil deutscher Kulturgeschichte wieder ins Bewusstsein, nicht zuletzt, da Qualität und Kultstatus mancher auch ins Ausland verliehener Produktion unvergessen sind. Untrennbar mit den Studios verbunden ist das DEFA-Sinfonieorchester, das nach seiner Umstrukturierung seit 1993 als Deutsches Filmorchester Babelsberg fortbesteht und sich überwiegend dem Nischendasein der Filmmusik verschrieben hat.
Filmmusik in der DDR, so könnte das Motto der neuesten Produktion des Ensembles lauten. Denn auch wenn diverse Sampler die Erinnerung an die Zeiten vom “Kleinen Muck” oder der “Legende von Paul und Paula” mit Originalaufnahmen wachhalten, fehlte bislang ein erfrischend angepacktes Revival durch erstklassige Neueinspielungen. Unter Manfred Rosenberg und dem Filmmusik-Spezialisten Bernd Wefelmeyer veröffentlichten die Potsdamer jetzt einen von der DEFA-Stiftung produzierten musikalischen Querschnitt aus der DDR-Filmgeschichte. Ob dabei der Anspruch gegolten hat, ein möglichst breit gefächertes Bild zu liefern oder gar alte Schätze zu heben, sei dahingestellt. Was aber mit dem inspiriert musizierten schwärmerischen Triumph der Liebe auf hohem Niveau beginnt, fällt zunächst wieder in beliebige Massenunterhaltung ab.
Das Orchester spielt überragend auf in den hervorragenden originalen Kompositionen des DDR-Films; musikalisch packend dabei Ernst Roters Suite aus Die Mörder sind unter uns, eine subtile und an Schostakowitschs Sinfonik als auch Don Davis Matrix-Trilogie anklingende Partitur. Auch Wefelmeyers großartig arrangierte und vital gespielte Orchesterbearbeitung des unvergesslichen Songs Wenn ein Mensch lebt erinnert gekonnt an große filmisch-musikalische Momente. Derartige orchestrale Sahnestückchen sind aber viel zu selten eingefangen. Stattdessen wird eine Mischung kreiert, die offenbar mühelos zwischen Mozarts Figaro und Günther Fischers Tango für Paul schwanken will, diesem Spagat aber stilistisch nicht gewachsen ist. Auch die klassisch ausgebildete Mezzosopranistin Friederike Meinel müht sich wacker, zwischen den Welten zu wandern. Ihr Mozart oder Offenbach ist trotz übertrieben koketter Tongebung dabei noch wirkungsvoller getroffen als der allzu künstlich laszive Tonfall der Tangos und Salonstückchen.
Man hätte sich mehr gewünscht von diesem längst überfälligen Projekt, da der Querschnitts-Charakter die Interpreten zwingt, alles zu können ein hoher Anspruch, der nicht gehalten werden kann. Und schließlich, welchen Repertoire-Wert hat eigentlich Offenbachs Cancan auf einer Platte mit DDR-Filmmusik?
Tobias Gebauer