Widmann, Jörg

Quintett für Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Klavier

Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2008
erschienen in: das Orchester 07-08/2009 , Seite 64

Überaus komplex und technisch höchst anspruchsvoll stellt sich Jörg Widmanns Quintett für Oboe, Klarinette, Horn, Fagott und Klavier in der altehrwürdigen Tradition des Klavierquintetts dar. Das Quintett ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe für fortgeschrittene und virtuose Musiker. Die Mühe ist es jedoch in jedem Takt wert und man wird mit interessanten und teils überraschenden musikalischen Ideen belohnt. Achtzehn sehr kurze Sätze bzw. Miniaturen bilden ein imposantes Ganzes. Doch sollte man nicht willkürlich die eine oder andere herauslassen oder gar die Reihenfolge ändern, denn Widmann hat die Abfolge fest konzipiert.
Dieses Quintett ist ein Auftragswerk der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker und wurde 2006 dort zur Verleihung des Claudio-Abbado-Preises an Widmann uraufgeführt. Nun liegt es in Partitur und Stimmen vor. Ein paar Spielanweisungen in den einzelnen Stimmen und ein Glossar am Ende der Partitur sorgen dafür, dass zumindest theoretisch keine Frage unbeantwortet bleibt.
Der erste Satz, von Widmann schlicht „Eingang“ genannt, verläuft ruhig und klangvoll, ist gespickt mit akkurat auf den Punkt zu bringenden Umspielungen und ist mit seinen gut zehn Takten eine kurze Nummer: eine prägnante Visitenkarte für die Ausführenden.
„Verwunschener Garten“ heißt der zweite Satz. Ruhig treffen Bläserklänge aufeinander, vom Klavier mit sanften Klangkaskaden (die alles andere als leicht spielbar sind) untermalt. Sie verdichten sich zu wohlüberlegtem Dickicht, bis sie plötzlich (attacca) in eine „Kontrapunktische Studie (1)“ übergehen. Längere Klänge schichten sich hier im strengen, kurzen Satz. Anschließend legt Widmann eine „Falsche Fährte“ und verwirrt den Zuhörer mit wenigen, tastend hingeworfenen Tönen. Von einigen auffälligen Akzenten abgesehen bleibt es lange Zeit leise und endet mit abwärts gerichteten Läufen, die lediglich aus Klappengeräuschen bestehen, sowie einem Staccato-Lauf des Fagotts, geblasen auf dem S-Bogen.
„Choral“, „Akkord-Etüde“ und „Coda“, drei weitere hübsche Miniaturen, führen in den „(Verworfenen) Fluchtgedanken“. „Panisch, aber zögernd“ werfen sich die Musiker hier mehr als 40 Takte lang dicht aufeinander folgende Einwürfe zu, um anschließend in der „Kontrapunktischen Studie (2)“ rhythmisch sehr gefordert zu werden. Die folgende „Triller-Etüde“ lebt von schnellen Fingern und Virtuosität.
Langsam dreht sich danach das Quintett „Im Kreis“, um in einer weiteren „Kontrapunktischen Studie (3)“ und einem „Verlorenen Walzer“ die richtige Einstellung für den 15. Satz, „Mit Humor“, zu finden. Da geht es um viel neue Spieltechniken, und sauber ausgeführt könnte es das Publikum zum breiten Schmunzeln verleiten. Ein „Liedchen“ und ein weiterer „Verwunschener Garten“ führen in den „Flugtraum“. Ganz ruhig spielt Widmann hier mit Klängen, lässt den Pianisten zur Celesta wechseln (oder erlaubt es ihm zumindest) und die Bläser in schönster Eintracht darüber in hübschen kleinen Kantilenen enden.
Heike Eickhoff