Rihm, Wolfgang
Quid est Deus / Ungemaltes Bild / Frau/Stimme
Drei Werke Wolfgang Rihms hat das SWR Sinfonieorchester in hervorragender Einspielung auf einer CD vorgelegt. Wolfgang Rihm hat mit Quid est Deus (2007) ein expressives halbstündiges Werk geschaffen, das sich weniger mit Worten schildern als mit dem Herzen hören lässt. Ein Werk, das das Gemüt bewegt und den Intellekt kitzelt, großartig gespielt wird und grandiose Wirkung erzielt. Es kommt allerdings recht monumental daher: ein konventionell singender Chor, ein dick besetztes Sinfonieorchester ohne Violinen, dazu der uralte Text aus der angeblichen Feder des mythischen Hermes Trismegistos, in dem in 24 Definitionen Gott erklärt werden soll. Einer langsamen, harmonisch schwebenden Introduktion, geprägt von ausschließlich dunklen Klängen, folgt ein unendliches Crescendo, das sich in langen Dissonanzen löst, von Schlagwerk, einigen sehr schönen Bläsersoli und warmen Streichern verstärkt und reduziert wird. Sakrale Musik im neuen und zugleich uralten Gewand, formal anscheinend offen, dabei aber streng auf den Kulminationspunkt zulaufend.
Emil Nolde schuf während seines Berufsverbots in der Nazizeit über eintausend Ungemalte Bilder Aquarelle, die er später in Öl umsetzen wollte. Wolfgang Rihm schrieb 1994 seine danach benannte Komposition Ungemaltes Bild. Noldes ungemalte Bilder sind trotz des negierenden Titels sichtbar. Rihms gleichnamiges Werk, mit größerem Ensemble, jedoch ohne Violinen, besetzt, ist selbstverständlich eindeutig hörbar und grandios interpretiert. Verhaltene, solistisch instrumentierte Klänge und einzelne Töne machen Lust auf mehr, auf ausgeprägtere Verläufe und dichtere Besetzung, scheinen sich zu zieren und den wahren Gehalt der Komposition vorerst nur anzudeuten. Das Schlagzeug ist wiederum äußerst wichtig und sorgt sowohl für den Fluss der Musik als auch für Brüche.
Frau/Stimme (1989) lässt die beiden Soprane erst spät dazu kommen. Doch dann steigen sie in höchsten Lagen ein, ein Sopran vorn beim Dirigenten, der andere im Orchester. Immer wieder schickt Rihm die Sängerinnen (brillant: Isolde Siebert und Carmen Fugiss) ganz weit hinauf. Der Text, von Rihm zusammengesucht aus Fragmenten von Heiner Müllers Der Auftrag, beschreibt in fast brutal schlichten Worten einen Engel der Verzweiflung. Spannend bleibt der gewollte, geniale Kontrast dieses Textes zu den immer schönen und kultivierten Frauenstimmen. Die wenigen, treffsicher gesetzten instrumentalen Töne um den Gesang herum fördern die hohe Expressivität.
Heike Eickhoff