Hoffmann, Freia / Volker Timmermannn (Hg.)
Quellentexte zur Geschichte der Instrumentalistin im 19. Jahrhundert
Ist es vorstellbar, dass heute ein Konzertbesucher den Anblick einer Geige spielenden Frau so unangenehm empfindet, dass er die Augen vor dem Phänomen schamhaft verschlossen hält? Kaum, oder vielmehr, nein! Heute können wir uns in die Konzertbesucher, über die 1837 in der Neuen Zeitschrift für Musik berichtet wird und die die damalige Solistin Nanette Oswald ablehnten, nur noch sehr schwer hineinversetzen. Und doch ist es einen Versuch wert und durchaus interessant. Hier kann der Band mit Quellentexten und zahlreichen Originalbeiträgen zum Thema der Instrumentalistin durchaus hilfreich sein. Es geht dabei nicht nur um die Solistentätigkeit von Frauen auf der Bühne, sondern auch um ihren Zugang zur fundierten institutionellen Ausbildung, zur Möglichkeit des Unterrichtens oder des Veröffentlichens von musikalischen oder pädagogischen Erkenntnissen.
Die Argumente der Befürworter oder Gegner von Instrumentalistinnen rufen heute Schmunzeln oder sogar Entsetzen hervor. Der Musikschriftsteller und Befürworter Eduard Hanslick argumentierte 1883 auch mit finanziellen Aspekten: Einerseits müssten sich die jungen Frauen gezwungen durch die bittere Noth des Lebens im Virtuosentum in Konkurrenz mit den Männern begeben, und warum auch nicht? Schließlich hätten sie ja bescheidenere Ansprüche. Außerdem sei die Zahl jener, die sich zu großen Virtuosinnen aufschwingen, sehr klein. Die Hoftheater brauchten keineswegs den Anfang mit dem Einstellen von Instrumentalistinnen zu machen. Ein eindeutiger Befürworter von Frauen in Orchestern war er also nicht, aber immerhin gestand er den Frauen zu, dass sie pflichtgetreu, ruhig und unverdrossen ihren Beruf ausüben.
Zusammen mit Volker Timmermann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sopie-Drinker-Institut für musikwissenschaftliche Frauen- und Geschlechterforschung, legt Freia Hoffmann, die sich bereits lange mit dem Thema Musikerinnen, besonders mit den Instrumentalistinnen, beschäftigt (Instrument und Körper, Die musizierende Frau und ihre Wahrnehmung in der bürgerlichen Kultur 1750 1850), hier eine repräsentative Quellensammlung vor, die Grundsatzfragen nachgeht wie: Darf eine Frau im Orchester mitwirken?, aber auch Fragen des Aussehens, der weiblichen Spielweise, des Repertoires, der Ausbildung, der Berufsmöglichkeiten und den Reisen der Musikerinnen.
Hoffmann und Timmermann verzichten auf Kommentare und Einordnungen der Quellentexte weitgehend, was den Leser zu eigenen Deutungen motivieren kann. Die Mehrzahl der 167 zusammengestellten Dokumente ist deutsch, ein Teil englisch und ein Teil in französischer Sprache mit Übersetzung. Ein kleiner Wermutstropfen: Eine Literaturliste fehlt, aber die Literaturhinweise können aus den Fußnoten zusammengeklaubt werden.
Alles in allem eine empfehlenswerte Lektüre, vor allem, aber nicht nur für Musiker, die sich mit der Entwicklung und dem Entstehen des Berufs Musiker beschäftigen wollen. Wer das Heute verstehen will, sollte sich mit dem Gestern befassen. Vergangenheit wirkt bis ins Heute hinein.
Viola Karl