Fauré, Gabriel
Quatuor à cordes op. 121
hg. von James William Sobaskie, Urtext aus Gabriel Fauré uvres Complètes, Partitur/Stimmen
Es ist schon irgendwie kurios, dass manche Komponisten von Weltrang nur ein einziges Streichquartett oder einen Satz geschrieben haben, während andere in dieser Gattung beinahe aufgingen. Fast scheint es eine zeittypische Eigenart gewesen zu sein man denke nur an Giuseppe Verdi, Gustav Mahler, Claude Debussy oder Maurice Ravel. Ebenso schrieb Gabriel Fauré lediglich ein einziges Quatour à cordes, und das erst im hohen Alter, sein letztes Werk überhaupt kurz vor seinem Tod im Jahr 1924, welches beinahe unvollendet geblieben wäre.
Die genauen und komplizierten Umstände des Entstehungsprozesses, untermauert mit vielen Zitaten und den biografischen Zusammenhängen, erläutert ausführlich und fundiert der Herausgeber James William Sobaskie im Vorwort des an der wissenschaftlichen Gesamtausgabe (Gabriel Fauré uvres Complètes) sich orientierenden Werks. Es waren für ihn wohl die hemmenden Einflüsse der Wiener Meister, nicht bereits schon früher ein Streichquartett begonnen zu haben. So schreibt Fauré an seine Frau: In diesem Genre hat Beethoven sich ganz besonders ausgezeichnet, deshalb haben alle, die nicht Beethoven heißen, davor eine Heidenangst! Saint-Saëns hatte immer Angst davor und sich darin erst gegen Ende seines Lebens versucht. Es ist ihm nicht gelungen wie andere kompositorische Gattungen. Also kannst du dir denken, ob ich meinerseits Angst habe.
Allerdings gab es Probleme mit der Publikation. Es offenbarten sich nämlich zwischen dem Druck, für den Faurés Lieblingsschüler Jean Roger-Ducasse sorgte, und dem gleichzeitig erschienenen Faksimile der letzten Handschrift Faurés frappierende Divergenzen, welche auf große Interpretationsunterschiede in der Behandlung des Urtextes hindeuteten. Daraus entstand eine lange Zeit währende, zum Teil scharf geführte, öffentliche Kontroverse, warum die Ausgabe überhaupt nötig gewesen sei, da sie nicht den letzten Willen des Komponisten reflektiere. Andererseits war Fauré während der fast ein Jahr dauernden Komposition oft sehr erschöpft und hatte zum Ende hin mit einer doppelseitigen Lungenentzündung zu kämpfen, diktierte seine letzten Wünsche das Quartett betreffend und bestimmte, dass man Roger-Ducasse bittet, die Satzbezeichnung, Dynamik
anzugeben. Außerdem hatte er ihn um eine ehrliche Einschätzung gebeten.
Die vorliegende Edition bricht mit der 80-jährigen Tradition, dieselben unkorrigierten Druckplatten zu verwenden. Diese Ausgabe folgt dem Urtext-Gedanken und dem Ansinnen, der Fassung letzter Hand des Komponisten zu folgen. Bedauerlicherweise fehlt in der Partitur ein Kritischer Bericht, aus welchem hervorgeht, was original von Fauré ist und wenn möglich was sein Schüler veränderte. Die Stimmen sind in gewohnt bester Bärenreiter-Qualität gedruckt, großformatig und übersichtlich. Um jedoch das Stimmenmaterial nicht zu überfrachten, sind die dünnen Durchstreichungen als Herausgeber-Ergänzung bei den Legatobögen und Crescendogabeln nur in der Partitur kenntlich gemacht worden.
Werner Bodendorff