Debussy, Claude / Paul Hindemith / Ludwig van Beethoven
Quatuor à cordes / 4. Streichquartett op. 22 / Streichquartett c-Moll op. 18,4
Das junge Amar-Quartett aus der Schweiz, das auf Stradivari-Instrumenten spielt, die ihm die Habisreutinger-Stiftung ausgeliehen hat, konnte sich in bemerkenswert kurzer Zeit in der Quartett-Szene fest etablieren und ist bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Es hat seinen Namen in Erinnerung an das
legendäre Amar-Quartett der 1920er Jahre gewählt, dem kein Geringerer als Paul Hindemith als Bratscher angehörte. Und dem Interpretationsstil und der Repertoirepolitik dieses Ensembles, dessen Einsatz für neue und unbekannte Musik kaum überschätzt werden kann, fühlt sich das neue Amar-Quartett verpflichtet.
Die beiden ersten CD-Produktionen demonstrieren eindrucksvoll, dass das Ensemble bereits jetzt kaum einen Vergleich zu scheuen braucht; und in der Programmwahl leistet es Vorbildliches. Hier eröffnet ein Quartett seine Einspielungen keinesfalls wie es sonst leider üblich geworden ist mit jenen eingedrillt standardisierten, ewig gleichen Fünf-Minuten-Webern-Interpretationen, um schnell zu Haydn und Mozart zu wechseln, sondern engagiert sich für ein weites Musikspektrum, welches einen Eindruck vom schier unerschöpflichen Reichtum dieser Gattung vermittelt. Es rückt Quartette von Hindemith ins Zentrum und eröffnet mit schlechterdings brillanten Aufnahmen des 4. und 6. Quartetts eine Gesamteinspielung der Quartette dieses Komponisten, die Maßstäbe setzen wird und eine weite Aufmerksamkeit verdient hat.
Vor allem die Einspielung des 6. Quartetts läuft auf eine Ehrenrettung dieses etwas vernachlässigten Werks hinaus. Das liegt an einem Interpretationskonzept, welches die kontrapunktische Durcharbeitung des musikalischen Satzes zur Ausdrucksdifferenzierung der Musik nutzt: Jede Stimme wird ungemein plastisch artikuliert und dadurch gewinnt auch der Tutti-Klang eine größere Prägnanz. Die Einspielung des 4. Quartetts op. 22 beeindruckt besonders durch reiche Klangschattierungen, die jedem Satz ein spezifisches Kolorit geben.
Ergänzt wird dieses Programm durch Werke von Puccini, Wolf, Barber, Schulhoff, Debussy und Beethoven wahrlich ein Programm für Liebhaber und Kenner jenseits der Trampelpfade des öden Einerlei! Die Werke werden bei aller spieltechnischen Perfektion durch eine Spontaneität des Musikmachens verlebendigt, die berührt, fesselt und den Hörer gleichsam in die Musik hineinzieht. Auf die weitere Entwicklung des Amar-Quartetts darf man gespannt sein.
Giselher Schubert