Alfredo D’Ambrosio

Quartetti e quintetti d’archi

Friedrich Thiele (Violoncello), Mio Tamayama (Kontrabass), Archos Quartet

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Tactus
erschienen in: das Orchester 6/2024 , Seite 72

Mit einer Reihe von Welterst-einspielungen erlaubt die vorliegende Produktion Einblicke in die Kammermusik eines Komponisten, dessen Werke weit mehr Aufmerksamkeit verdienen. Alfredo D’Ambrosio (1871–1914) gehört einer Generation an, deren Schaffen sich vermehrt den bis dato in Italien nur wenig gepflegten instrumentalen Besetzungen zuwandte. Das Streichquartett c-Moll op. 42 (1908) lässt die Qualität seiner Arbeit besonders gut erkennen und demonstriert einen souveränen Umgang mit dieser Königsgattung der Kammermusik, den das Achos Quartet durch eine ausgewogene Wiedergabe unterstreicht: Dem ständigen Wechsel der Einzelstimmen zwischen Vorder- und Hintergrund, den der Komponist den formalen Entwicklungen des Moderato-Kopfsatzes einschreibt, verleiht das Ensemble durch klangvolle Herausarbeitung melodischer Verästelungen und grazile Zeichnung von Begleitfigurationen eine besondere Plastizität. Ähnlich überzeugend gerät die Wiedergabe bei den Klangwechseln und Spannungszuständen, die D’Ambrosio über den Verlauf des scherzoartigen Allegros legt, bei der schrittweisen Tonraumerschließung, die sich im Andante von der Tiefe her bis zur Klimax des Moll-Themas aufbaut, sowie bei den vielfachen Ausdruckswechseln des finalen Allegro energico.
Eingerahmt wird das Streichquartett durch Werke in unterschiedlicher Quintettbesetzung: D’Ambrosios differenzierte Handhabung der Besetzung mit zwei Violoncelli in der Suite op. 8 (1900) zeichnet sich durch einen ausgeglichenen Quintettsatz aus, der im eröffnenden Andante eine Verlagerung des Klangs in die Alt-, Tenor- und Basslage aufweist, zu der das Oberstimmenduett der Violinen oft kontrastierend eingesetzt ist. Wie einfallsreich diese klangliche Disposition genutzt wird, offenbart der Scherzo-Satz, der mit einer Fülle von Klangfarben in Kombination von Streichen und Zupfen aufwartet und diese immer wieder an Unisonolinien aller Instrumente bricht. Demgegenüber ist der ernste Charakter der Berceuse von gedämpften, außerordentlich klangschön und mit feinen Details vorgetragenen Klangfarbenschleiern dominiert. Der mächtige, ernst anhebende Finalsatz setzt dramatische Akzente im unruhigen, von der Bevorzugung tiefer Lagen bestimmten Moll-Thema und strahlt eine feine Heiterkeit im stark aufgehellten Seitensatz aus.
Gegenüber diesen beiden großformatigen Werken repräsentieren die übrigen Kompositionen den eher salonmusikalisch ausgerichteten Teil von D’Ambrosios Schaffen. In Quintettbesetzung mit Kontrabass erklingend, zeugt die geschickt getroffene Auswahl nichtsdestotrotz vom großen Können des Komponisten, denn alle Stücke entfalten auf knappstem Raum eine enorme melodische Erfindungskraft und Ausdrucksdichte, dem die kont-rastreiche Umsetzung durch das Ensembles sehr entgegenkommt.
Stefan Drees