Felix Mendelssohn Bartholdy

Psalmen/Verleih uns Frieden gnädiglich

Johanna Winkel (Sopran), Hanne Weber (Alt), Julian Prégardien (Tenor), Krešimir Stražanac (Bassbariton), Chor des Bayerischen Rundfunks, Münchner Rundfunkorchester, Ltg. Howard Arman

Rubrik: CDs
Verlag/Label: BRKlassik
erschienen in: das Orchester 04/2018 , Seite 65

Auf seinen zahlreichen Reisen nach England erhielt Mendelssohn viel Inspiration für sein Schaffen, von der Idee zur „Schottischen“ bis hin zu dem ihn seit seinem 17. Lebensjahr begleitenden Sommernachtstraum Shakespeares.
„Very British“ und also stimmig ist Howard Armans Einspielung von Felix Mendelssohn Bartholdys Psalmen und des vierminütigen Chorgebets Verleih uns Frieden gnädiglich, dem Robert Schumann „Weltberühmtheit“ auf einer Höhe der Madonnen von Murillo und Raphael geweissagt hatte. Dieses Attribut zeugt weniger von der britischen Musikern oft zugeschriebenen Kühle, sondern weitaus mehr von tatsächlicher und nicht nur behaupteter Authentizität.
Howard Arman, der in London geborene Künstlerische Direktor des BR-Chors, überblickt das schon für den jungen Mendelssohn so bedeutsame Œuvre Händels sowie die gesamte britische Musiktradition. Mit diesem Hintergrund führt er sein Ensemble und das Münchner Rundfunkorchester zu einer Rundung, die an keiner Stelle glättend oder neutralisierend wirkt. „Nob­lesse oblige“ bedeutet das durchgängig bei den transparent offenen Stimmgeflechten in Non nobis Domine op. 31 (115. Psalm), dem in Sinfoniekonzerten oft favorisierten Wie der Hirsch schreit op. 42 (42. Psalm) und Singet dem Herrn ein neues Lied op. 91 (98. Psalm). Der Chor des Bayerischen Rundfunks weiß, wie er das transparent und farbenreich realisieren muss. Es kommt nie zur völligen Entrückung, immer bleibt ein Funke Diesseitsverhaftung. Das belässt Mendelssohn in irdischer Nähe, die diesen Sakralkompositionen gut ansteht.
Ein echtes britisches Bewusstsein prägt diese Aufnahme vor allem durch den Glücksfall der mitwirkenden Vokalsolisten in den gar nicht so kleinen Partien. Mit Julian Prégardien steht endlich wieder ein hochkarätiger Konzerttenor der jüngeren Generation bereit, der genau wie seine Kollegen „konzertant“ nicht mit „distanziert“ verwechselt. Denn die wahre britische Tradition bewahrt zurückhaltend emotionale Wärme, die ohne Zuflucht zum Forcieren vor allem in gedeckten dynamischen Breiten ausstrahlt, ohne das tönende Umfeld zu überhitzen. Diese hat Prégardien ebenso wie Johanna Winkel, die mit äußerster Vorsicht auf kleineren Bühnen Fachgrenzen weitet und damit in lyrischer Weichheit immer mehr Fülle bekommt. Hanne Weber und Krešimir Stražanac wahren diesen hohen Rang.
Liebhabern von Einspielungen, die spektakuläre Interpretations­ansätze in Szene setzen, werden mit diesen Aufnahmen wahrscheinlich wenig anzufangen wissen. Doch gerade in der unaufgeregten, dabei sehr subtilen und gerundeten, die sakrale Weihestimmung dezent unterlaufenden Wiedergabe liegt eine bemerkenswerte Qualität.
Das Booklet zieht sich zurück auf die Erläuterung musikwissenschaftlicher Basisfakten, als ob es alle Möglichkeiten eines spirituellen, sakralen oder nur sinnenfreudigen Hörgenusses offenhalten wolle.
Roland H. Dippel

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