Ferdinand Hiller
Psalm o. op. HW 2.8.1 für Soli, vierstimmigen Chor und Klavier (Orgel)
hg. von Florian Ilge, Partitur
Es ist ein Schicksal, das Ferdinand Hiller mit anderen Zeitgenossen teilt: Schon bald nach seinem Tod 1885 in Köln gerieten er und seine Werke in Vergessenheit. Die Kritik seiner Zeit war wohlmeinend, doch seiner Musik haftet der Hauch des Rückwärtsgewandten an. Das trifft auch auf den hier im Erstdruck vorliegenden Psalm Hillers zu, den Florian Ilge für den praktischen Gebrauch einrichtete, ein Chorwerk für vierstimmigen Chor, Soli und Tasteninstrument, dessen Text aus unterschiedlichen Psalmen zusammengesetzt ist. Zugrunde liegt das autografe Manuskript in der Frankfurter Universitätsbibliothek; ein zeitgenössischer Druck oder zumindest Hinweise auf Aufführungen des Chorwerks zu Hillers Zeiten lassen sich dagegen nicht finden.
Wann Hiller genau sich der Komposition des Psalms zuwandte, lässt sich nur erahnen, es lassen sich weder in den Kritiken der Zeit noch in seinen privaten Aufzeichnungen Hinweise auf die Komposition finden. Tonsprache und Struktur legen allerdings eine Komposition in seinen Kölner Jahren, also ab 1850, nahe. In der Kölner Zeit entstanden neben einer Messe in C-Dur auch kleinere geistliche Werke, die eine ähnliche Tonsprache aufweisen. Allerdings war die Kirchenmusik nicht gerade eine Stärke Hillers. Trotz seiner Studien der Musik Palestrinas in Rom 1840/41, also noch vor seinem Wechsel in die rheinische Domstadt, findet er nur schwer Zugang zu dieser Gattung. Einerseits entsprechen die klaren Melodielinien, der leicht zu singende Duktus und die manchmal doch recht schlichte Harmonik dem Ideal der Cäcilianer, auf der anderen Seite erlaubt sich die Begleitstimme auch recht konzertante Ausflüge. Und damit zu einem weiteren Rätsel dieses Werks: Welches Instrument ist als Begleitinstrument gemeint? Im Autograf steht ausdrücklich Pianoforte. Doch für den sakralen Gebrauch wäre die Orgel angemessener und in den Sakralbauten und Sälen der Domstadt und den angrenzenden Landen gab es auch im 19. Jahrhundert ausreichend gute Orgeln. Nun war Hiller trotz seiner kurzen Tätigkeit als Orgellehrer kein ausgewiesener Kenner dieses Instruments und es sind auch sonst keine Orgelwerke aus seiner Feder überliefert. Der Begleitsatz beschränkt sich auf langen Strecken auf das Stützen des Chors colla parte oder ist ganz weggelassen. Die Leerstellen wurden behutsam mit Vorschlägen gefüllt.
Bleibt also die Frage offen, ob der Psalm für den Konzertsaal oder für die Kirche gedacht war oder ob er überhaupt je gedruckt werden sollte. Der Zustand des Manuskripts lässt da Zweifel aufkommen. Heute ist er fraglos eine Bereicherung für Kirchenchöre, die ein ansprechendes Werk auch für Konzerte suchen. Allerdings sollte der kundige Organist die Begleitung doch etwas aufhübschen und orgelmäßiger gestalten.
Markus Roschinski


