Beethoven, Ludwig van / Franz Liszt / Alexander Skriabin / Luigi Nono
Prometheus
Musical Variations on a Myth
Diese DVD präsentiert ein ambitioniertes Vorhaben: Der Film von Christopher Swann, in dem die brillanten Interpreten vier musikalische Variationen über den Mythos ausführen, macht auch den Versuch, verschiedene visuelle Interpretationen des Prometheus-Mythos in Einklang mit den Tonpartituren zu bringen. Dieses Vorhaben ist zweifellos interessant und lobenswert, die Verwirklichung jedoch erscheint nicht überzeugend und organisch.
Im ersten Teil, The Creator of Man, werden Beethovens Geschöpfe des Prometheus op. 43 mit meistens sehr hübschen Naturaufnahmen begleitet: der Himmel mit feurigen Wolken, Felsen, Landschaften, die die elementare Welt darstellen; im Weiteren erscheinen schöne Pferde, Giraffen und idyllische Erntebilder, zur Abwechslung tauchen auch antike Skulpturen auf, die anscheinend ans mythologische Sujet von Beethovens Ballettmusik erinnern sollen. Das alles wird mit den malerischen Fantasien von William Blake ergänzt zur Vertiefung der philosophisch-symbolischen Inhalte der Musik. Die Einzelbilder dieser visuellen Deutung sind zweifellos attraktiv, jedoch macht das Ganze einen ziemlich zufälligen, collageartigen Eindruck. Oft fühlt man sich am besten, wenn man die Augen schließt und sich der ausdrucksvollen, feinen und höchst plastischen Musikdarstellung der Berliner Philharmoniker, geleitet von Claudio Abbado, hingibt.
Der zweite Teil, Bound and Liberated, ist der sinfonischen Dichtung Prometheus von Franz Liszt gewidmet. Dieses romantische Meisterwerk regte die Berliner Philharmoniker und ihren Dirigenten zu einer äußerst frischen Interpretation an: Der Text wurde von allen Spuren von falsch verstandenem Pathos befreit. Visuell wird hier die Flamme zum Leitmotiv: gewaltige Bilder von Magma, die an Vulkanausbrüche oder Hochofenschmelze denken lassen. Damit die Zuschauer den Mythos nicht vergessen, wird während der Fuge ein Adler in majestätischem Flug und ein mit Blitzen beleuchtetes Bergland gezeigt, in dem der gefesselte und gequälte Held gefangen gehalten wurde. Nach all diesen Schönheiten wirkt der letzte Filmblock geradezu erfrischend, da man lediglich das Orchester und den Dirigenten sieht und ohne Mühe die Musik genießen kann.
Der dritte Teil, Skriabins Prométhée gewidmet, wird als The Bringer of Light bezeichnet, was äußerst problematisch ist, da Skriabin doch betonte, dass sein Werk nichts mit dem bekannten Mythos zu tun habe. Der Regisseur wollte die Hauptidee Skriabins
eine Synthese von Ton und Farbe verwirklichen, doch die Reihenfolge der Farben, die den Raum beleuchten, folgt leider nur teilweise dem Plan Skriabins: Die detaillierten Anweisungen, feine Nuancen und unterschiedliche Mittel (nicht nur Flammen, sondern Blitze, Funken usw.), die Skriabin eigenhändig in einer Partitur bezeichnete, wurden nicht umgesetzt. Viel zu oft steht die Verwendung konkreter Farben im eklatanten Widerspruch zu Skriabins Vorstellungen.
Pianistisch sehr schön wirkt Martha Argerich am Klavier; leider geht Skriabins Nervosität, sein Elan, die spezifische Mischung zwischen extremer Grandiosität und extremer Feinheit verloren. Genauso wenig gelang es der ausgezeichneten Berliner Singakademie den mystischen Klang zu erreichen, den Skriabin so sehr begehrte.
Im vierten Teil wird Luigi Nonos Prometeo mit dem ewigen Wanderer identifiziert. Doch sollte man eher an ewige Änderungen und Metamorphosen denken, wenn man die faszinierend subtile Klangatmosphäre der philosophischen Komposition und deren großartige Interpretation durch Ingrid Ade-Jesemann, Monika Bair-Ivenz, Ulrike Krumbiegel, Matthias Schadock, den Solistenchor Freiburg und die Berliner Philharmoniker unter Leitung von Claudio Abbado miterlebt. Das amorphe, geleeartige Farbmilieu dagegen wirkt eher primitiv und kann dem Werk nichts hinzufügen.
Marina Lobanova