Nico Dostal
Prinzessin Nofretete
Orchester der Musikalischen Komödie Leipzig, Ltg. Stefan Klingele
Zwar gibt es keine Götter in der nach der Kölner Uraufführung 1936 im Frühjahr 2017 erstmals wiederaufgeführten Operette Prinzessin Nofretete, aber dafür Gräber und Gelehrte. Die Zuschauer im Saal der Musikalischen Komödie Leipzig wurden Pauschaltouristen, die von MuKo Tours auf eine Reise an den schönen blauen Nil zu falschen Orakeln, vor allem aber zu genrespezifisch vielen Flirts und liebevollen Neckereien entführt wurden. Das Label Rondeau, der Mitteldeutsche und der Bayerische Rundfunk entschlossen sich schnell zur Weltersteinspielung.
Anders als die Komische Oper Berlin, die sich vor allem der Operetten von im Nationalsozialismus verfolgten Autoren und Komponisten annimmt, steht die Musikalische Komödie Leipzig zum größeren Wagnis, nämlich der Rehabilitierung sorgfältig ausgewählter Werke von im NS-Deutschland arrivierten Werken wie Nico Dostals Prinzessin Nofretete und zuletzt Eduard Künnekes Die große Sünderin. Die Musikalische Komödie deckt mit einem nur kleinen Solistenensemble von der Spieloper Lortzings über viel Wiener Operette bis zum Musical alles ab. Diese Vielseitigkeit kommt Dostal zugute, den man sich gemeinhin etwas bodenständiger und weniger mondän denkt als etwa Paul Abraham (Ball im Savoy).
Chefdirigent Stefan Klingele, der Entdeckungen vor allem nach musikalischem Sinn und Qualität einfängt, belehrt uns mit dieser Aufnahme eines Besseren. Dostals kompositorischer Esprit auf das Textbuch Rudolf Köllers wirkt aus heutiger Perspektive am muntersten dort, wo er bluffen und kolorieren konnte. Unverkennbar sind hier wie in anderen Operetten seit 1930 zackige Märsche immer häufiger, doch gelten sie hier eher erotischen als militärischen Eroberungsfeldforschungen. Auch wenn er es wahrscheinlich nicht zum Weibermarsch-Konkurrenten schaffen wird, ist Ran, ran, ran, junger Mann kurz vor der Ohrwurm-Qualität. Deshalb dürfen Orchester und Chor lockend und satt über die Stränge schlagen: Schmiss und Schneid sind Trumpf.
Für so ein Werk braucht es kein musikalisches Spitzenensemble, sondern ein instinktsicheres und bühnengewandtes. Damit kann die Musikalische Komödie auf hohem Niveau punkten: Lilli Wünscher, die als Reinkarnation von Prinzessin Nofretete im Archäologencamp um ihre Liebe taktiert, bugsiert sich mehr herb als süß aus den Klischees einer Reichsoperettendiva in heutiges Attraktivitätsappeal. Radoslaw Rydlewski als ihr Lover versucht sich mit seinem sicheren, geschmeidigen Tenor gar nicht erst in der Pose eines kleineren oder größeren Gardeoffiziers. Jeffery Krueger und Nora Lentner sind weitere Glanzlichter dieser Operette, in der es auch modische Rhythmus-Schwenke, Instrumentaleffekte und immer wieder exotistische Buschtrommeln gibt. Das liegt natürlich auch an der musikalisch eher handfesten Entwicklung Dostals, die sich genauso bei Kalman und Abraham feststellen lässt. Ein Gramm Grobheit ist sogar notwendig bei MuKo Tours, wenn diese aus härterem Holz geschnitzte Prinzessin Nofretete nachhaltig reüssieren soll. Das tut sie hier von der ersten bis zur letzten Spielsekunde.
Roland H. Dippel