Watkins, Huw

Prelude

for Solo Cello

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2012
erschienen in: das Orchester 06/2013 , Seite 66

Huw Watkins (*1976) ist Professor für Komposition an der Royal Academy of Music London und zudem als Pianist erfolgreich. Neben Orchester- und Kammermusikwerken stammen auch Vokalwerke aus
seiner Feder. Den Durchbruch als Komponist hatte der Brite 1999 mit der Uraufführung seiner Sonata für Violoncello und acht Instrumente durch das Nash Ensemble.
Huw Watkins’ Prelude für Solocello aus dem Jahr 2007 wurde vom Presteigne Festival of Music and the Arts in Auftrag gegeben und durch Alice Neary im selben Jahr uraufgeführt. Die Komposition verbindet tänzerische und lyrische Momente zu einer gelungenen Einheit. Der majestätische, getragene Beginn wird von Doppelgriffen und dreistimmigen Akkorden bestimmt und ähnelt in Charakter und Gestus der Sarabande. Der vorgeschriebene 3/4-Takt sowie harmonische Dissonanzen und Schwerpunkte auf der zweiten Zählzeit unterstützen zunächst diesen Eindruck. Der Komponist setzt jedoch durch baldige Überbindungen und Betonungsverschiebungen interessante Akzente. Er spielt dabei mit dem Metrum: Häufige Taktwechsel von geraden und ungeraden Metren durchbrechen hierbei den strengen Charakter eines langsamen Tanzsatzes.
Nach dem durch Rhythmus und Doppelgriffe bestimmten Beginn in tiefer Lage folgt eine melodischere Passage im hohen Register. Große Intervallsprünge kennzeichnen ihren Verlauf. Die beiden gegensätzlichen musikalischen Charaktere des Preludes interagieren im Verlauf des Stücks mehr und mehr. Ihre Wechsel bestimmen den Verlauf und lassen einen musikalischen Dialog entstehen. Natürliche Flageoletts dienen Huw Watkins als Bindeglied zwischen den beiden Partien. Unterstrichen wird ihre sphärische Wirkung durch die leisen Dynamikangaben und Ritardandi.
Dynamisch und formal lässt sich ein permanenter und recht gleichmäßiger Auf- und Abbau des fünfminütigen Solostücks erkennen. Kurz vor Schluss erklingt nochmals eine längere Flageolett-Passage, die deren Bedeutung innerhalb der Komposition untermauert.
Der Komponist reizt die klanglichen Möglichkeiten und den Tonumfang des Violoncellos geschickt aus. Huw Watkins verwendet im Prelude keinerlei moderne Spieltechniken. Selbst Spielanweisungen wie sul ponticello, sul tasto oder Ähnliches sind in seiner Komposition nicht zu finden. Er arbeitet im Gegensatz zu vielen anderen zeitgenössischen Komponisten nicht mit modernen spieltechnischen Effekten, sondern setzt durch die Gestaltung musikalischer Parameter lautmalerische Akzente. Dazu zählen beispielsweise die flexible und variantenreiche Verwendung der Dynamik und eine espressive Färbung durch spannungsgeladene, dissonante Akkorde. Hierin liegt die Stärke dieses Solostücks.
Anna Catharina Nimczik